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Berlin: Ein 911er ist noch lange kein Porsche

Von der Kaffeetafel zum Autokorso: 300 historische Lastwagen kommen zur Feier von 100 Jahren DaimlerChrysler in Marienfelde

Von Andreas Conrad

Mit Omas Tischtuch muss es angefangen haben. Das rutschte immer, und um dies zu vermeiden, hatte die alte Dame noch ein Fließ darunter gelegt. Der ideale Untergrund für jeden jungen Lastwagenfahrer! Tief drückten sich die Lkw-Reifen in den weichen Stoff, ein wildes Muster von Straßen entstand, als der Fuhrpark des Jungen darüber rollte. Und dann die Lust, wieder zweifünfzig gespart zu haben: Dafür gab es den Krupp Titan, blau und beige lackiert.

Die Jungen von damals sind älter geworden, die Begeisterung hat sich erhalten. Man muss die Oldtimer-Freunde, die sich an diesem Wochenende bei DaimlerChrysler in Marienfelde versammelt haben, nur antippen, und sie sprudeln über von diesen Geschichten. Hat nun Kurt Theobald, Präsident der Nutzfahrzeug-Veteranen-Gemeinschaft, in den Erinnerungen an die großmütterliche Kaffeetafel geschwelgt, oder war es doch sein Vereinsgefährte Bertold Bullmann? Unwichtig, die Anekdoten scheinen, lässt man die Veteranenfreunde nur richtig loslegen, ohnehin nahtlos ineinander überzugehen.

Tradition ist gut fürs Geschäft, das hat man im im Konzern mit dem Stern schon lange erkannt, pflegt die Szene, kümmert sich um die Ersatzteile. Seit einigen Jahren werden auch die Lastwagenfreunde gestreichelt, hilft man bei ihren Treffen, schließlich sind sie stets von hohem Schauwert, sichern der Marke allgemeine Aufmerksamkeit. Und wenn nun noch ein Jubiläum wie der 100. Geburtstag des Werkes in Marienfelde gefeiert wird, dürfen historische Fahrzeuge nicht fehlen. Einige hat DaimlerChrysler aus seinem Fundus herangeschafft, einen Londoner Doppeldeckerbus von 1907 etwa, dessen Chassis und Motor aus Berlin stammen. Aber um 300 Fahrzeuge verschiedenster, oft nicht mal mehr existenter Hersteller zusammenzubringen, bedarf es schon eines Vereins.

Bei Kurt Theobald hatte es mit einem F 40, einem Hanomag-Traktor, angefangen, mittlerweile besitzt der Kaufmann, der hobbynah im Autoteilehandel arbeitet, schon mehrere alte Fahrzeuge. Anderthalb Jahre hat er an dem Trecker rumgebastelt, dann war der TÜV zufrieden. 450 Mitglieder zählt sein 1996 gegründeter Verein, alle Berufssparten sind darunter vertreten und ein Händler wie Vereinsfreund Bullmann nicht mal die Regel. Er kauft in Bochum Telekom-Fahrzeuge auf und verkauft sie weiter, kam irgendwann auf die Idee, dass er das eine oder andere Schmuckstück lieber selbst behalten würde. Wagen wie seinen LA 911B von 1973 beispielsweise, mit dem er in Berlin am heutigen Korso teilnimmt. Nur Ignoranten werden dahinter einen Porsche vermuten, der Oldtimer-Freund erkennt den Lastwagen aus dem Hause Mercedes-Benz. Nein, kein Schmuckstück, jedenfalls nicht äußerlich. Ein graues Gefährt mit mancher Roststelle, das noch der Restaurierung harrt. Und doch Objekt des Begehrens, das vielleicht mal an einer großmütterlichen Kaffeetafel seinen Ursprung hatte. Die Folgen eines Stückes Fließ sind eben nicht zu unterschätzen.

Der Korso der Lastwagen startet heute gegen 17 Uhr auf dem DaimlerChrysler-Gelände in Marienfelde. Über Großbeerenstraße, Mariendorfer, Tempelhofer und Mehringdamm geht es zur Wilhelmstraße. Weiterer Verlauf: Unter den Linden, Straße des 17 Juni, Hofjägerallee, Martin-Luther-Straße, Sachsendamm. Rückkehr gegen 19.30 Uhr .

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