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Codieren für das Leben. Der Hackerthon „Jugend hackt“ ist so beliebt, dass die Plätze verlost werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein Besuch bei der Zukunft: Jugend hackt

Sie sollen mit Code die Welt ein wenig besser machen: Bei „Jugend hackt“ programmieren schon Kinder ihre Ideen.

Caleb Love Seeling hat schon eine Idee, was er dieses Mal bei „Jugend hackt“ programmieren möchte. Der zwölfjährige schmale Junge mit kinnlangen braunen Haaren hat Mitleid mit Menschen auf der Flucht, die immer und immer wieder ihre Geschichte erzählen müssen. „Sie können vorher auch zu Hause ihr Leben aufschreiben. Mein Programm würde dann, wenn sie an einer Grenze stehen, den Beamten automatisch den Text anzeigen.“

Das Jugendhaus Königstadt im Kollwitzkiez in Mitte ist seit Freitag das Basislager für einen Hack-Marathon, einen Hackathon. Am Treppengeländer hängen pixelige Space-Invader-Figuren, an den Wänden verläuft gelbes Band mit der Aufschrift Cyber. Jugendliche sitzen vor ihren Laptops, auf vielen kleben bunte Sticker.

„Jugend hackt“ liefert einen gesellschaftspolitischen Anspruch gleich mit: Die Jugendlichen sollen „mit Code die Welt verbessern“. In Gruppen arbeiten sie zu vorgegebenen Themen wie „Flucht, Asyl und ich“, „Freizeit, Gesundheit, Sport“ oder „Umwelt und Nachhaltigkeit“. Betreut werden die jungen Programmierer von Mentoren. Viele sind Mitglied im Chaos Computer Club, arbeiten als Webdesigner oder Softwareentwickler. Ein Star der Hacker-Szene ist auch dabei: Der sogenannte Starbug hat vor Jahren die Fingerabdrücke von Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen gehackt.

Zwölf junge Hacker dürfen nach Südkorea

Seit drei Jahren gibt es „Jugend hackt“ in Berlin, für inzwischen 120 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, vergangenes Jahr kamen vier deutsche Regionalkonferenzen dazu. Bald geht es ins Ausland: Zehn junge Hacker dürfen nach Südkorea fahren und in Seoul mit koreanischen Jugendlichen programmieren. Veranstaltet werden die Konferenzen von der Open Knowledge Foundation und dem Verein für Medienbildung „mediale pfade“.

Der zwölfjährige Caleb konnte am Abend vor der Veranstaltung nicht einschlafen, erzählt er. „Ich habe mich gefühlt, als ob morgen mein Geburtstag ist.“ Im letzten Jahr hat er hier mit zwei Freunden digitale Kassenbons entwickelt, weil „das sonst ja eine große Papierverschwendung ist“. Ihre Idee: An Kassen einen Knopf installieren, den der Kunde beim Bezahlen drückt. Auf einem Display erscheint ein QR-Code, den man mit dem Handy scannt. Das speichert dann den elektronischen Kassenzettel. Mit dieser Idee hat Calebs Gruppe den Publikumspreis gewonnen. Dieses Mal gibt es keinen Preis. „Wir wollen nicht, dass ihr miteinander konkurriert, sondern zusammenarbeitet“, sagt Projektleiter Daniel Seitz. Stattdessen gibt es jetzt Badges: Auszeichnungen auf kleinen Papierkarten wie Weltverbesser/in, Designer/in oder Open-Source-Held/in. Wer etwas besonders gut macht, bekommt ein Kärtchen.

„Jugend hackt“ ist so beliebt, dass sich die Jugendlichen bewerben müssen. 40 Teilnehmern musste dieses Jahr abgesagt werden. „Schulen haben für die jungen Hacker kein Angebot“, beklagt Mentorin Daniela Berger. Das erzählt auch Caleb. Im Informatikunterricht lerne er, wie Power Point funktioniert. „Das bringt mich nicht weiter“, sagt der 12-Jährige. Deshalb kauft er sich von seinem Geburtstagsgeld Programmierbücher, er hat sich selbst die Programmiersprachen Python und HTML beigebracht. Auf „Jugend hackt“ hat ihn kein Lehrer gestoßen, sondern sein Vater.

Wenn die Computermaus gejagt wird

Über ihren Vater ist auch Mareike Soyck aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel hierhin gekommen. An Mareikes Schule wird Informatik erst im nächsten Schuljahr eingeführt. Ihr Vater promoviert in Elektrotechnik, seiner zwölfjährigen Tochter und ihrer jüngeren Schwester hat er die Programmiersprache Scratch gezeigt, die extra für Kinder und Jugendliche entwickelt wurde. Mit bunten Bausteinen können darin Computerspiele erfunden werden. Mareike hat sich „Tom und Jerry“ ausgedacht: Ein Spieler jagt mit der Katze, gesteuert über die Pfeiltasten, die Maus. Der Maus-Spieler kann mit der Computermaus wegrennen.

Mareike ist eines von wenigen Mädchen, das beim Hackathon mitmacht. Von fünf Teilnehmern ist im Durchschnitt nur einer weiblich. „Für eine technische Veranstaltung ist das noch eine gute Quote“, sagt Projektleiterin Paula Glaser. Warum ist Programmieren bis heute Männerdomäne, auch bei den Jüngsten? „Die Gesellschaft prägt, Jungs bekommen eher Computer zu Weihnachten geschenkt als Mädchen und werden eher von ihren Mathelehrern gefördert“, sagt Fiona Krakenbürger. Auch sie ist hier Mentorin, und Gründerin der Gruppe „Heart of Code“, einer Gruppe für Hackerinnen. Krakenbürgers Erfahrung ist aber auch: „Viele Frauen denken immer noch: Das kann ich nicht.“ Aber sie habe das Gefühl, bei den Jugendlichen verändere sich dieses Geschlechterbild jetzt langsam. „Für viele hier ist es keine Besonderheit mehr, dass auch Mädchen coden“, sagt sie.

Die jungen Hacker sitzen auf Bierbänken, auf einer schwarzen Wand leuchten programmierte Lampen als rotes Pixelherz auf. Zwei Mentoren betreten die Bühne, einer trägt einen Teil seines tragbaren Computers auf seiner Schirmmütze. Der andere erklärt, welche Hardware die Teilnehmer in ihren Projekten verbauen können: Sensoren, die auf Schall oder Giftgas reagieren. LED-Lämpchen in verschiedenen Farben. Oder kleine Anzeigetafeln für Zahlen und Buchstaben. Viel Zeit bleibt nicht, am Sonntagmorgen werden die Projekte in der Volksbühne präsentiert. „Jugend hackt“-Gründerin Maria Reimer ist stolz, was aus ihrer Idee geworden ist. „Ihr seid Teil einer Jugendbewegung“, sagt sie.

Zum Abschluss von „Jugend hackt“ präsentieren die Schüler ihre Projekte am heutigen Sonntagmorgen ab 11.30 Uhr in der Volksbühne. Zudem gibt es Videos und Musik. Der Eintritt ist frei. Einen Livestream gibt es auf jugendhackt.org

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