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Berlin: Ein Boulevard mit neuen Linden

Der Bund übernimmt möglicherweise komplett die Kosten für die fußgängerfreundliche Sanierung der berühmtesten Straße Berlins

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die aufwändige Schönheitskur für Berlins Boulevard „Unter den Linden“ wird möglicherweise komplett vom Bund finanziert. Darüber werde momentan verhandelt, bestätigte gestern Petra Reetz, Sprecherin des Stadtentwicklungssenators Peter Strieder (SPD). Im März 2004 beginnen die Bauarbeiten, die insgesamt 12,7 Millionen Euro kosten. Ende 2005 soll der weltweit bekannte Straßenzug den Fußgängern mehr Raum – und den berühmten Linden eine neue Lebensgrundlage geben.

Allerdings nicht den Bäumen, die jetzt dort stehen. Weil die Gehwege zwischen Wilhelmstraße bis zur Schlossbrücke auf beiden Seiten um 2,85 Meter verbreitert werden, müssen zwischen Wilhelm- und Glinkastraße 61 Linden gefällt werden. Die meisten Bäume hätten ihren Lebenszenit überschritten, argumentiert Strieder. Seit Jahrzehnten seien sie durch Salze, Baumaßnahmen und Versorgungsleitungen geschädigt worden. Und außerdem: Bäume, die länger als zehn Jahre an der gleichen Stelle stehen, könnten nicht mehr verpflanzt werden. Aus „gärtnerischen und stadtgestalterischen Gründen“ werden also neue Linden angepflanzt.

Dies soll nach einer Methode geschehen, die in Berlin im großen Maßstab noch nicht ausprobiert wurde. Unter der Straßendecke werden Pflanzkanäle angelegt, die den Wurzeln Platz schaffen wie in einem riesengroßen Blumentopf. Das soll die Lebensdauer und Widerstandsfähigkeit der Bäume deutlich erhöhen. Die Naturschützer in Berlin, allen voran der BUND, haben dagegen nichts einzuwenden. Aber die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling prangerte die geplante Baumfällaktion an. Das sei „ohne Sinn und Verstand“. Kritik kam auch von der CDU, die den Umbau des Boulevards für eine „Luxussanierung“ hält.

Der Senat verfolgt seine Pläne unbeeindruckt weiter. Am Ende wird jede – vollständig erneuerte – Straßenseite aus einer Haltespur, einer Spur für Busse, Taxen und Radfahrer und einer extrabreiten Fahrspur bestehen, auf der zwei Autos nebeneinander passen. Die Parkplätze vor der Schlossbrücke werden in eine Tiefgarage verlagert und die Bürgersteige verbreitert. „Dann können Gastronomen Tische und Stühle aufstellen, ohne die Touristen und Passanten zu behindern“, erläutert die Stadtentwicklungsverwaltung.

Bisher ging der Senat davon aus, dass der Bund 64 Prozent der Sanierungskosten übernimmt, weil die Straße zum großen Teil in den Entwicklungsbereich „Hauptstadt, Parlaments- und Regierungsviertel“ fällt, für den insgesamt 580 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Anfang der neunziger Jahre vereinbarte Kostenaufteilung zwischen Bund und Land kann aber flexibel gehandhabt werden, wenn beide Seiten mitspielen. Offenbar ist noch einiges Geld da. Zum Beispiel wurde auf den Bau einer zweiten „Bundes-Kita“ verzichtet. Und so hofft Rot-Rot, dass die Bundesregierung die weltstädtische Verschönerung ihrer heimlichen „Protokollstrecke“ Unter den Linden allein finanziert.

Seitdem Kurfürst Friedrich Wilhelm 1647 die Pflanzung von Nuss- und Lindenbäumen auf dem Jagd- und Reitweg zwischen der damaligen Hundebrücke und dem „Thiergarten“ angeordnet hatte, gab es immer wieder Aufregung um die deutschesten aller deutschen Bäume. Wer sie mutwillig beschädigte, dem wurde im 17. Jahrhundert noch die Hand abgeschlagen.

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