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Berlin: EIN DREHBUCH UND SEINE VORGESCHICHTE: WIE HEINRICH MANNS „PROFESSOR UNRAT“ ZUM FILMSTOFF WURDE Der Reiz des Federflaums

Das Vorbild zu Lola-Lola war eine Sängerin in Berlin

Bei seinen Schülern ist Professor Immanuel Rath ebenso Gegenstand des Spottes wie Quelle der Angst – ein trompetengleich sich schneuzender, die Missetaten seiner Zöglinge akribisch notierender Kathederdespot, der im Verlauf des Films mehr und mehr zur tragikomischen, Mitleid erregenden Gestalt wird. Hätte er nicht bei den Pennälern Postkarten mit dem Konterfei der TingeltangelSängerin Lola-Lola entdeckt – nie und nimmer würde er sich in das zwielichtige Lokal „Der blaue Engel“ verirrt haben. Aber deren Beine, hinter aufgeklebtem Flaum kaum verhüllt, sind einfach zu verlockend. Selbst ein sittenstrenger Mann wie er kann es nicht lassen, die Federn hochzupusten. Da mag er sich noch vorgaukeln, er wolle in dem Lokal nur seine missratenen Schüler dingfest machen – die Zuschauer wissen es doch besser.

Josef von Sternberg drehte seinen „Blauen Engel“, einen der ersten Tonfilme in Deutschland, parallel auf Deutsch und Englisch. Die Lieder wurden von Friedrich Hollaender komponiert, teilweise auch getextet. Der Film, so heißt es im Vorspann, sei „frei nach dem Roman ,Professor Unrat‘ von Heinrich Mann“. Über eine Kinoadaption hatte Jannings mit dem Schriftsteller erstmals 1923 gesprochen, noch vor seinem Ausflug nach Hollywood, der ihm 1929, für die Hauptrolle in Josef von Sternbergs „The Last Command“, den ersten je einem Schauspieler verliehenen Oscar eingebracht hatte. Manns Roman war bereits 1905 erschienen, angesiedelt in einer unschwer als Lübeck zu identifizierenden Hafenstadt. Die Geschichte war dem Schriftsteller ein Jahr zuvor im Teatro Alfieri in Florenz zugeflogen. In einer während der Pause gekauften Zeitung las er einen Bericht aus Berlin: Ein Hochschulprofessor sei einer jungen Sängerin verfallen, habe sich darüber völlig ruiniert und sei zuletzt verhaftet worden.

1959 wurde der Stoff unter dem Titel „The Blue Angel“ von US-Regisseur Edward Dmytryk erneut verfilmt, mit Curd Jürgens und May Britt in den Hauptrollen. Josef von Sternbergs Original wurde auf einer Doppel-DVD (BMG Video) veröffentlicht, herausgegeben vom Filmmuseum Berlin, gemeinsam mit der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung und Transit Film. Enthalten sind die deutsche und englische Version, die Probeaufnahmen, ein Interview mit der Dietrich sowie weiteres Bonus-Material. ac

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