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Berlin: Ein Dreiakter in sechs Minuten

Showtime im Zoo: Um dem anschwellenden Besucherstrom gerecht zu werden, wird die Besuchszeit bei Knut immer kürzer

Er ist zwar musikalisch, spielt den Bären im Sommer schon mal etwas auf seiner Gitarre vor, aber trotzdem hätte Thomas Dörflein Auftritte wie diesen niemals erwartet oder gar erträumt. Kaum kommt der Tierpfleger mit Knut aus dem hinteren Teil des Braunbärengeheges, braust Beifall aus der wartenden Menge auf: „Yeahhhh!“ jubelt ein vielstimmiger Chor. Dörflein schlägt mit der flachen Hand vor seine Stirn und muss doch lachen. Aus dem musizierenden Bärenpfleger ist ein Star geworden. Der hinter ihm herhoppelnde Knut ist es sowieso.

Die Akteure sind da, die Show kann beginnen. Dabei soll es eigentlich keine sein, denn der Zoo ist um seinen Ruf als wissenschaftliche Einrichtung bemüht: „Dies ist keine Show hier, wir wollen Knut nur präsentieren“, erklärt Reimon Opitz, der als Moderator über Lautsprecher ein paar Erläuterungen gibt. Aber gerade dadurch wird die Audienz der Stars in der Freilichtbühne erst Recht zur Inszenierung: Auftritt von links, Nuckeln des Jungbären am Daumen des Pflegers in der Mitte, rechts – auf einem Plateau, das der Seitenbühne eines Robbie-Williams-Konzerts gleichkommt – Männchen machen und knuddeln wieder in der Mitte. Ein klassischer Dreiakter.

Dörflein und Knut sind ein eingespieltes Team. „Wir wollen Knut“, skandieren Kitagruppen, schon bevor es losgeht. Wäre der Anmeldeschluss nicht schon lange durch, Dörflein würde beim Eurovision Song Contest im Mai wohl reihenweise „Douze Points“, die Höchstpunktzahl, abräumen. Dabei dürfte es einerlei sein, wie es um seine Sangeskünste steht.

Zurück zur Knut-Show im Zoo. Sie dauert zwar immer noch zweimal jeweils eine Stunde (11 bis 12 und 14 bis 15 Uhr), aber die Aufenthaltsdauer für die Besucher wird immer weiter zurückgeschraubt, um dem wachsenden Ansturm gerecht zu werden. Vor den Kassen stehen sie auf 300 Meter Schlange, im Zoo noch einmal 200 Meter. Opitz wirbt um Verständnis: „Eine andere Lösung wäre es, dass Sie gar nicht mehr stehenbleiben dürfen,“ – wie bei den Kronjuwelen in London oder am Grab von Johannes Paul II. im Petersdom – „aber das wollen wir nicht.“ Gestern konnten die Besucher sechs Minuten bleiben. „Das reicht, Sie haben wunderschöne Fotos machen können“, sagte Opitz.

Wenn also Knut links, rechts und in der Mitte zu sehen war, sagt Opitz: „Das war’s. Gehen sie bitte zu den Ausgängen, seien sie fair gegenüber den anderen Besuchern, die auch noch Knut sehen wollen.“ Die meisten Gäste lassen sich weitgehend anstandslos von den rot gekleideten Männern vom eigens angeheuerten Sicherheitsdienst zu den Ausgängen komplimentieren. Mal abgesehen von wenigen Ausnahmen – einem temperamentvollen Spanier zum Beispiel, der die Männer als „preußisch“ tituliert. Die Ausgänge vor dem Gehege bilden Drängelgitter, wie sie die Polizei bei Demonstrationen oder zur Sicherheitsabsperrung in der Stadt aufstellt. Der Zoo hat sich diese Gitter beim FC Union ausgeliehen. Reißt der Besucherstrom nicht ab, will der Zoo dem Vernehmen nach eigene Gitter kaufen – in grün statt rot-weiß.

Weil Eltern von ihren Kindern vor dem Braunbärgehege getrennt werden (Kinder dürfen mit Rollstuhlfahrern ganz nach vorne, Erwachsene müssen hinten bleiben), hat der Zoo eine Sammelstelle eingerichtet, „wo Sie ihre Kinder wiederfinden können, wenn sie verlorengegangen sind“, sagt Opitz und wirbt nebenbei für den kleinen Ernst – einen fünf Monate alten Malaienbär, der in Sachen Aufmerksamkeit zu kurz kommt: „Vielleicht finden Sie den sogar süßer als Knut.“

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