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Berlin: Ein Ergebnis, das deutlich unter dem der vergangenen Wahl liegt, würde die Bereitschaft zur Mit-Regierung brechen (Kommentar)

Man möchte jetzt wahrhaftig nicht in der Haut der SPD stecken, schon gar nicht nach solchen Wahlergebnissen, erst recht nicht, wenn man, wie die Berliner SPD, der übernächste Kandidat für die Abwatsch-Prozedur ist, die der Wähler gegenwärtig mit der Partei veranstaltet. Aber manche stecken eben in der Haut der SPD.

Man möchte jetzt wahrhaftig nicht in der Haut der SPD stecken, schon gar nicht nach solchen Wahlergebnissen, erst recht nicht, wenn man, wie die Berliner SPD, der übernächste Kandidat für die Abwatsch-Prozedur ist, die der Wähler gegenwärtig mit der Partei veranstaltet. Aber manche stecken eben in der Haut der SPD. Sie kennen ihre Partei, sie haben ihre Erfahrungen mit ihrem Innenleben, und deshalb ist es naheliegend, dass sie sich Gedanken machen, wie die SPD mit der Lage nach dem 10. Oktober fertig werden kann. Dies alles in Rechnung gestellt, wird man die Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Böger nicht nur als ein Zeichen dafür nehmen dürfen, dass die Nerven bloß liegen. Sie ist eine ziemlich ernsthafte Sondierung über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit künftiger SPD-Politik in Berlin.

Alles spricht dafür, dass sich die SPD damit abgefunden hat, sich wieder in das ungeliebte Geschirr einer Großen Koalition begeben zu müssen. Doch gerade das Sich-Bescheiden, das in dieser Aussicht steckt, belastet diese Einsicht. Die SPD hat dieses Dilemma nach der Wahl vor vier Jahren schon einmal in extenso durchdiskutiert und durchlitten. Damals dauerte es Wochen und Monate, bis die Partei sich dazu durchzuringen vermochte, sich mit dem Unabwendbaren abzufinden und das Mit-Regieren in der Junior-Rolle als ihre Aufgabe anzunehmen. Sie hat daraus in den vergangenen vier Jahren etliches gemacht. Um so schwerer muss es ihr fallen, aus dem absehbaren Wahlausgang einen auch nur einigermaßen bekräftigenden Schluss zu ziehen.

Denn die reine Resignation reicht nicht aus - so konnte man vor vier Jahren lernen -, um sich für eine Koalition zu erwärmen, die gegen die eigenen Wünsche geht. Die Entscheidung für das Mit-Regieren muss irgendwie doch als Aufgabe begriffen werden können. Es gibt eine Grenze des Geduckt-Werdens, jenseits derer die SPD nicht mehr reaktions-, also auch nicht mehr koalitionsfähig wäre. Ein Ergebnis, das deutlich unter dem der vergangenen Wahl liegt, würde die Bereitschaft zur Mit-Regierung brechen und die Neigung zum Rückzug in die Opposition übermächtig werden lassen.

Kann man es Böger verdenken, wenn er die Öffentlichkeit darauf hinweist? Eine Flucht vor der Verantwortung ist das nicht. Natürlich ist das Offen-Legen des Dilemmas, in das die SPD zu geraten droht, ein Versuch, den Wähler zur Wahl seiner Partei zu drängen. Doch es zeigt, was man nicht aus Mutwille zeigt: die Partei mit dem Rücken zur Wand.

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