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Berlin: Ein europäisches Haus für die Mitte Berlins

Die Architekten Dieter Bankert und Gunther Derdau planen gegen den Zeitgeist. Sie wollen statt des Schlosses einen modernen Bau

Wie soll der Schloßplatz einmal aussehen? Was wird dort entstehen, wenn alle finanziellen Unklarheiten beseitigt sind? Angeblich wollen 50 Prozent der Berliner, dass das Stadtschloss wieder aufgebaut wird. Und die andere Hälfte? Hat sie sich dem Pro-Schloss-Votum des Bundestages klaglos ergeben? Oder gibt es ganz andere, neue Ideen für den alten Platz in der Mitte Berlins?

Die beiden Architekten Dieter Bankert (66) und Gunther Derdau (65) öffnen die Skizzenmappen und legen ihre Gedanken auf den Tisch: Kein Schloss-Nachbau, sondern ein modernes, mehrgeschossiges Bauwerk sollte entstehen, über dem – wie eine Kuppel – eine riesige Glaskugel schwebt. Die sei das Symbol für die Zerbrechlichkeit des Friedens, sagt Dieter Bankert, und sein Kollege erläutert, weshalb dieser Ort „ein Sinnbild der Zukunft für die Stadt, für Deutschland und Europa“ sein sollte: „Unser Vorschlag läuft darauf hinaus, dem im Werden befindlichen, politischen europäischen Haus ein gebautes Haus Europa zu errichten, das genau diesem Prozess dient. Das nennen wir Europeum“.

Europa in der Mitte Berlins – das wären so etwas wie kulturelle Koexistenz, gemeinsame Visionen, eine Akademie für Europa, eine kleine Stadt für Menschen, Gedanken und Ideen aus allen europäischen Ländern. Bankert: „Unser Europa braucht weder Königsschloss noch Kulturpalast. Aber das Berliner Schloss taugt als städtebaulicher Maßstab für diese Europaakademie. Mit dem Europeum wird das Raumgefüge Unter den Linden, Lustgarten, Schloßplatz und zwischen den beiden Spreearmen geheilt. Das sollte aber nicht mit einem musealen Rahmen geschehen, sondern mit einem Neubau für unsere Zeit.“

Die Inhalte scheinen noch etwas nebulös, aber die Institution soll weit über die Funktion einer internationalen Schule oder Akademie, die nebenan im einstigen Staatsratsgebäude entsteht, hinausgehen. Zum Konzept der beiden Architekten gehören internationale Konferenzen, Ausstellungen, Theater, „Lust an Kultur soll gepredigt werden von den Kanzeln des Europeums, die Schätze im Gedächtnis der Völker Europas sind unerschöpflich – hier ist ihre Austauschbörse“, sagt Dieter Bankert euphorisch und vergleicht das Haus mit einem „olympischen Dorf für ambitionierte, unternehmungslustige Europäer – geistige Wettkampfstätte für die Jugend“. Der einstige „Apothekenflügel“ von der Ostseite des alten Schlosses könnte – quasi als Mittler zum gegenüberliegenden Dom – in dieses „Spectaculum Europeum Berlinensis“ mit einbezogen werden, und vom Palast der Republik – an dessen Bau die beiden Architekten maßgeblich beteiligt waren – sollten die Kellerwanne und der große Saal als ein Auditorium maximum in das Europahaus integriert werden, auch wegen der Kostenersparnis.

Das Architekten-Duo hat seinen Vorschlag zahlreichen Institutionen unterbreitet und dabei viel Verständnis, aber wenig Gegenliebe gefunden. Edmund Stoiber immerhin nannte die Europaakademie als Symbol der Einigung Europas einen „neuen, interessanten und bedenkenswerten Vorschlag“, wie überhaupt alle, auch der Senat für die Überlegungen und das Engagement herzlich danken. Dem früheren Präsidenten der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi gefällt der Vorschlag. „Sie sollten ihn in die öffentliche Diskussion einbringen“, schreibt er, „allerdings habe ich den Eindruck, dass die Zeit für ein derartiges Projekt noch nicht reif ist. Die Zeichen stehen auf Retro, in Dresden, in Berlin, in Braunschweig und anderswo“. Conradi wünscht sich für den Schloßplatz eine „mutige, in die Zukunft weisende städtebauliche und architektonische Gestalt“ und zitiert Karl Friedrich Schinkel: „Historisch ist nicht, das Alte allein festzuhalten oder zu wiederholen, dadurch würde die Historie zu Grunde gehen. Historisch handeln ist das, welches das Neue herbeiführt und wodurch die Geschichte fortgesetzt wird.“

Den Preis für die Bebauung des Schloßplatz-Areals schätzen die beiden Planer grob mit 1,5 Milliarden Euro – die Deutschen stellen das Grundstück zur Verfügung, die EU-Länder beteiligen sich an den Kosten. „Sie sind Miteigentümer, Bauherr und Betreiber, nicht nur Gäste.“ Und wann könnte dieses europäische Haus aus Stahl und Glas fertig sein? „Man sollte nichts überstürzen – am Schloss wurde mehrmals jahrzehntelang gebaut.“

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