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Berlin: Ein Festakt mit Striptease

Amerika-Gedenkbibliothek feierte 50. Geburtstag

Es stand nie „Amerika“ auf dem Dach der Gedenkbibliothek, auch wenn es Leute gibt, die schwören, diese Lettern auf dem Gebäude am Blücherplatz gesehen zu haben. Gleich mehrfach ging es dieser Fatamorgana an den Kragen, gestern beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Bibliothek, die ein Geschenk des amerikanischen Volkes an die Berliner war.

Vielleicht ist sie in jenen ersten Septembertagen nach der Eröffnung entstanden, als sich dort lange Schlangen lesehungriger Berliner formierten. Von der kostbaren Freiheit zu lesen, was man will, war oft die Rede. Anfang der 50er Jahre, als der Nachholbedarf nach den Jahren der Diktatur noch groß war, muss diese Freiheit den Bibliotheks-Nutzern wie ein riesengroßer Luxus erschienen sein. Marsha Ann Coats, die ihren Mann, den US-Botschafter, vertrat, erinnerte in deutscher Sprache daran, dass es eine Bibliothek nach amerikanischem Vorbild war, mit für jedermann frei zugänglichen Regalen.

Auch der alte Architekt Fritz Bornemann war gekommen und versuchte eine Antwort auf die Frage, wie man den Geist der Freiheit in ein Gebäude gießt: „Die Kommunikation muss stimmen zwischen den Besuchern und den Büchern, das ist das Allerwichtigste.“ Es sei für einen Architekten „ein großes Glück“, wenn das gelinge. Kultursenator Thomas Flierl hatte sich zuvor unter Hinweis auf seine Ost-Berliner Herkunft als Fan von Bornemann und seinen Gebäuden (Deutsche Oper, Freie Volksbühne) geoutet: „Ich liebe Ihre Architektur.“ Der Senator ging in seiner Rede auf die immer noch bestehenden Gegensätze zwischen Ost und West ein: „Es ist nicht zusammengewachsen, was zusammengehört. Wir haben Zusammenhänge zusammenzufügen.“ Vielleicht wird die Amerika-Gedenkbibliothek als Teil der Zentral- und Landesbibliothek irgendwann in einem wieder errichteten Schloss in Mitte stehen. Justizsenatorin Karin Schubert, die in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters sprach, griff diese Möglichkeit ebenso auf wie der Koordinator für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt. „Wäre es nicht schön, wenn sich in der alten Form des Schlosses eine neue Demokratie entfalten könnte?“ Beim Auswärtigen Amt, in dem zu DDR-Zeiten das Politbüro untergebracht war, habe das ja auch funktioniert. In seiner Ansprache ging er auf die kulturellen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland ein, unter anderem im Hinblick auf die Bedeutung von Religion und Gleichheit. Die Bibliothek nannte er eine „kulturelle Freiheitsstatue“.

Marsha Ann Coats hatte als einzige Geburtstagsgeschenke mitgebracht, und zwar ganz besonders nützliche: 50 Jahre New York Times auf Mikrofilm, außerdem einen Scheck über 5000 Euro, der für die engere Zusammenarbeit mit amerikanischen Bibliotheken gebraucht wird, und englischsprachige Kinder- und Jugendbücher. Die werden immer begehrter. Generaldirektorin Claudia Lux ließ nach einer ausgiebigen Laudatio auf die Mitarbeiter am Ende noch einmal allen Honoratioren den Atem stocken, als sie sich zu den Klängen von „Fever“ mit der Ankündigung „Wir tun wirklich alles für unsere Bibliothek“ scheinbar zu einem Striptease anschickte, der aber glimpflich endete mit der Entblößung einer T-Shirt-Aufschrift „Bildung braucht Bibliotheken“. So erhielt der Standort Kreuzberg, einst, wie Senator Flierl sagte, aus politischen Gründen gewählt, auch bei einem hochoffiziellen Festakt noch eine schrägbunte Huldigung.

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