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Berlin: Ein Fremder in der eigenen Partei

Christoph Stölzl drängte sich nicht nach dem Landesvorsitz in der CDU. Nach knapp einem Jahr steht er vor einem Scherbenhaufen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sie mussten ihn zum Jagen tragen. Im Februar 2002 in seinem Haus in Kleinmachnow. Eine Kungelrunde von CDU-Parteifunktionären drängte Christoph Stölzl dazu, noch am selben Tag im Regionalfernsehen seine Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz zu erklären. Nur so konnte verhindert werden, dass der unpopuläre, unglücklich agierende und mit einer schweren Wahlniederlage behaftete CDU-Fraktionschef Frank Steffel auch noch die Parteiführung eroberte.

Aber Stölzl sollte mehr sein als ein Verhinderer. Er sollte der CDU ein neues Gesicht geben. Der ehemalige Kultursenator und Museumsdirektor, weltläufig, schlagfertig und belesen, sollte die Union attraktiv machen für das neue, hauptstädtische Bürgertum. Das tat Stölzl gern. Er pflegte Kontakte, hielt beachtliche Reden, spielte auf Partys und Fraktionsklausurtagungen vergnügt Klavier oder Kontrabass und kam seinen Pflichten als Vize-Parlamentspräsident gewissenhaft nach. Aber: Die Partei blieb ihm fremd.

Seinen Anspruch, die Hauptstadt-CDU politisch zu führen und programmatisch zu erneuern, konnte Stölzl nicht einlösen. Im Machtkampf mit Fraktionschef Steffel unterlag er in fast jeder Sitzung des Landesvorstands, konnte höchstens Gleichstand erreichen. Im Streit um Hauptstadt- und Finanzhaushalts-Thesen der Union agierte er sprunghaft – oder gar nicht. Selbst den heimatlichen Kreisverband Steglitz-Zehlendorf konnte der Berliner CDU-Chef nicht befrieden; das erfüllte ihn mit ohnmächtigem Zorn und er sprach wenig kulturvoll über die Parteifreunde im wilden Südwesten. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 vergriff sich Stölzl öffentlich im Ton und warf den rot-grünen Wählern vor, sich „irrationalen Stimmungen“ hinzugegeben. So wie 1914 und 1931/32. Das hätte ihn fast das Amt als stellvertretender Präsident des Abgeordnetenhauses gekostet.

Ohnehin wäre Stölzl viel lieber Kultur-Staatssekretär in einer konservativ-liberalen Bundesregierung geworden. So aber blieb er in der Landespolitik hängen und musste sich damit zufrieden geben, auf dem letzten CDU-Bundesparteitag mit dezenter Unterstützung der Parteichefin Angela Merkel in den Bundesvorstand der Union gewählt zu werden. In jüngster Zeit ließ er sogar durchblicken, dass er seine politische Laufbahn gern im Bundestag beenden würde. Damit kann Stölzl – ohne Parteifunktion und Unterstützung des Berliner Landesverbands – jetzt im Ernst nicht mehr rechnen. „Von uns hat er nichts mehr zu erwarten“, hört man unisono aus der Partei. Einige CDU-Funktionäre mutmaßen, Stölzl habe einen lukrativen Fulltime-Job außerhalb der Politik gefunden und springe deshalb ab. Aber das ist böses Gerede.

Die wenigen Stölzl-Vertrauten, die in der Landes-CDU etwas zu sagen haben, meinen jetzt resigniert: „Steffels Rechnung geht voll auf.“ Nun könne der ehrgeizige Fraktionschef auf dem Landesparteitag am 24. Mai einen Vorstand schmieden, der ihm vollständig zu Willen sei. Der „Dorfschulze“ Joachim Zeller, Vize-Landeschef und Bürgermeister im Bezirk Mitte, werde als neuer CDU-Landesvorsitzender nur der Strohmann Steffels sein. Die Reformer in der Partei haben schreckliche Angst, dass die Union in Berlin ohne jeden hauptstädtischen Glanz bleibt, wenn nicht gar im Elend versinkt. „Die CDU verweigert sich offen der Stimmung in der Stadt und der bürgerlichen Klasse“, meinte gestern ein Vorstandsmitglied. Für Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft sei der Landesverband kaum noch ein ernsthafter Ansprechpartner.

Schon wird der Ruf laut, für die Abgeordnetenhauswahl 2006 „jemanden von außen“ als Spitzenkandidaten zu gewinnen. Am besten einen Supermann wie 1981 Richard von Weizsäcker, der sein Senats-Team gleich mitbrachte. Bis dahin aber muss die Berliner CDU sehen, wie sie mit sich selbst klarkommt. Ohne Stölzl. Der hat übrigens schon einmal ein hohes Parteiamt nach einem Jahr abgegeben: 1989/90 war er Vize-Landeschef der Berliner FDP. Ein netter Kerl sei Stölzl schon damals gewesen, erinnern sich altgediente Liberale an die gemeinsame Zeit. Nachhaltige Spuren habe er allerdings in der Partei nicht hinterlassen.

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