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Berlin: Ein Friedenscamp vor der amerikanischen Botschaft

Die Vertretung in Mitte ist zur Pilgerstätte für Kriegsgegner geworden. Dort treffen sich Demo-Anfänger, Studenten und Protest-Veteranen

„Was malt er denn jetzt wieder?“ Die Polizisten gucken spöttisch, als sich Jens Rieger (22) mit der Kreide in der Hand auf den Gehweg nahe der amerikanischen Botschaft kniet und ein paar rosa Linien aufs Pflaster malt. Ein Engel könnte das sein, vielleicht auch der Umriss eines Menschen. Die Polizisten feixen. Aber der bunt gekleidete junge Mann mit den Dreadlocks, der sich einen blauen Punkt auf die Stirn getupft und „Love“ auf die Wange geschrieben hat, lässt sich nicht irritieren. Als er ein Peace-Zeichen malt und daneben schreibt „Wir sind für Frieden“, lächeln die Polizisten. „Vor zwölf Jahren hätte ich hier auch demonstriert“, sagt ein Beamter, der seinen Namen nicht nennen will. „Aber heute glaube ich nicht mehr daran, dass das irgendwas ändert.“ Sympathien haben er und viele seiner Kollegen für die Demonstranten trotzdem.

Alle paar Minuten kommen ein paar neue Jugendliche hinzu. Schüler, junge Studenten, auch ein paar Trebe-Kids, die auf der Straße leben, sind dabei. Die Stimmung ist entspannt, manche singen „Give Peace a Chance“ oder frei nach Queen: „George Bush – we will rock you“. Jeder darf mal eine Parole rufen, in die dann die anderen einstimmen: „Frieden, Frieden“ oder „Hoch die internationale Solidarität“. „Toll, dass die jungen Leute sich so engagieren“, sagt ein Rentner. „Obwohl der Nutzen gleich Null ist.“

Das glaubt Jens Rieger nicht. Deswegen hat er mit einigen Freunden ein „Friedenscamp“ auf dem Mittelstreifen Unter den Linden errichtet, direkt um die Ecke der Botschaft. Eine Plane, ein paar Schlafsäcke – und Fingerfarben. Damit malen sie bunte Parolen auf Tapetenrollen: „Frieden ist die Antwort“ oder: „Nur wer Liebe sät, wird Frieden ernten.“ Das stammt von einer jungen Frau, die sich „Shalom“ nennt. Das Friedenscamp ist für sie ein Ventil ihrer Gefühle. „Als der Krieg begann, habe ich geheult und fühlte mich hilflos“, sagt die 21-Jährige mit dem Peace-Zeichen auf der Wange. „Jetzt bin ich wenigstens mit meiner Trauer nicht mehr alleine.“

So betroffen die einen sind, so ausgelassen feiern die anderen. „Wir demonstrieren, auf allen Vieren, denn wir wissen, Bush ist beschissen“, grölt eine Schülergruppe aus Hellersdorf. Dabei strahlen die 14- und 15-Jährigen, als ginge es nicht um Krieg, sondern darum, eine Boygroup zu feiern. Obwohl die meisten sehr wohl wissen, wieso sie hier sind. „Ich habe Angst, dass sich der Krieg ausweitet“, sagt die 17-jährige Sophie, die mit Freunden aus Wandlitz angereist ist.

Alle halbe Stunde schallt der Klang einer Kirchenglocke. Die haben Wolfgang Lohbeck und seine Mitstreiter von Greenpeace aufgestellt. „Wir wollen zeigen, dass wir uns nicht nur um Ökologie kümmern“, sagt der 58-Jährige. Er und seine Leute haben auch das mit Kerzen bestückte drei Meter hohe Peace-Zeichen aus Eisen aufgestellt. „Für jede Stunde, die seit Kriegsbeginn vergeht, stellen wir eine weitere Kerze dazu.“ Platz für 50 Kerzen haben sie. „Ich befürchte, das wird nicht ausreichen“, sagt Lohbeck.

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