zum Hauptinhalt

Berlin: Ein Garten wie gemalt

Hermann Fürst von Pückler-Muskau gelang im Park von Schloss Branitz ein Meisterwerk

In Museumsschlössern gelingt den Besuchern selten ein Blick nach draußen. Schwere Gardinen lassen keinen Sonnenstrahl herein – so werden Gemälde, Tapeten oder Bücher geschützt. Zur Entstehungszeit allerdings spielte dieser Aspekt keine Rolle. Für Baumeister und Gartenarchitekten war die Aussicht vom Schloss auf die Landschaft entscheidend. Den besten Beweis dafür liefert Schloss Branitz am Rande von Cottbus. Der Blick aus der ersten Etage der Terrassenseite in den Park löst Glücksgefühle aus. „Diese Harmonie, Gartenkunst und Vielfalt“, schwärmen heutige Besucher. Deshalb haben die Denkmalschützer und Restauratoren zumindest ein Fenster für dieses Erlebnis frei gelassen.

„Der Pücklersche Park ist wie eine Bildergalerie, und die verlangt nach einem Rahmen“, sagt der Direktor der Stiftung von Park und Schloss, Berthold Ettrich. „Genau diesen Rahmen bietet unser freies Fenster.“ Dort stehen die Besucher am liebsten und genießen den „grünen Salon“ vor dem Schloss. Dieser Park mit seinen 42 unterschiedlichen Landschaftsbildern macht Lust auf Entdeckungen. Wer sie erleben will, braucht Muße.

Der Park ähnelt einer Bühne. Alles scheint in Bewegung zu sein. Wege und Sichtachsen verschwinden bei der kleinsten Veränderung des Standorts aus dem Blickfeld, Bäume wandern scheinbar umher, und alle Erfahrungen beim Schätzen von Entfernungen werden hinfällig. Auf verblüffende Weise zeigt Pückler hier die Kunst der optischen Täuschung durch künstliche Hügel, einzeln stehende Bäume, scheinbar zufällig angelegte Blumenrabatten oder angestaute Seen.

Trotz seiner vielen Reisen, die den Fürsten vor allem in den Orient führten, sollen die einzelnen Arrangements in Branitz keine Kopien von Werken anderer Architekten sein. So manche Anregung hat er sich aber wohl geholt. Wer vor den beiden Pyramiden steht, mag ahnen, dass sich Pückler dafür von der berühmten Cheops-Pyramide inspirieren ließ.

Die Verwandlung der Niederlausitzer Sandwüste in einen rund 100 Hektar großen Prachtpark, erscheint beim Blick in die Biografie Pücklers fast unglaublich. Denn der Mann mit seinen vielen Talenten, Leidenschaften und Vorlieben kam erst 1846, im Alter von 60 Jahren, aus Bad Muskau an der Neiße nach Branitz. Bis zu seinem Tode 1871 ließ er am Schloss bauen und gestaltete das Areal vor den Toren des Städtchens Cottbus mit Hilfe der nahen Spree zu einem „Bilderbuch der Harmonie“ um, wie er selbst sagte.

Die Ausstellungen im Schloss können nur einige der vielen Geheimnisse dieses Reiseschriftstellers, Verschwenders, Lebemanns, Frauenhelden und Exzentrikers lüften. Legendär sind seine Auftritte in Berlin, als er seine Kutsche mit vier weißen Hirschen bespannen ließ. Während anderswo reichhaltige Bibliotheken oder Gemäldesammlungen Aufschlüsse über den Eigentümer geben, übernehmen dies in Branitz vor allem die Räume mit Erinnerungen an seine Reisen in den Orient.

Ägyptische Antiquitäten vermuten wohl die wenigsten Besucher in einem Brandenburger Schloss. Pückler nahm die Gegenstände mit ausdrücklicher Genehmigung des damaligen Herrschers Mehmed Ali mit nach Branitz. Beide Männer verband eine enge Freundschaft. Für Pückler gehörten die Gespräche mit Mehmed, der heute als Gründer des modernen Ägyptens gilt, zu den „eigentümlichsten Erinnerungen“. Als er im Jahre 1837 in Alexandrien eintraf, lag bereits eine dreijährige Tour durch die Pyrenäen, Nordafrika und das klassische Griechenland hinter ihm. Nun war er sicher, dass ihn in Ägypten die „wahren Weltwunder“ erwarteten. Vor seiner Reise auf dem Nil erwarb er auf einem Sklavenmarkt mit Machbuba eine besondere Reisebegleiterin. Die junge schwarze Frau aus Abessinien, im heutigen Äthiopien gelegen, sollte nicht nur das geeignete Mittel gegen die „Langeweile einer so weiten Wasserreise“ sein. Mit Machbuba erlebte der Mann seine leidenschaftlichste und skandalträchtigste Beziehung. In der Liebe zu ihr drückte er seine ganze Faszination über die Exotik des Orients aus.

Doch schon auf der mehrmonatigen Rückreise nach Muskau über Konstantinopel, Budapest und Wien erkrankte die junge Frau schwer. Sie starb kurz nach der Ankunft im Oktober 1840. Auf dem Sterbebett rief sie nach ihrem Fürsten, der sich jedoch bei seiner Frau in Berlin aufhielt. Später verzieh sich Pückler dieses Verhalten nie mehr. Machbubas Grab liegt auf dem Dorffriedhof von Muskau.

Fünf Jahre nach dem Verlust seiner Liebe musste Pückler wegen hoher Schulden die Herrschaft in Muskau verkaufen. Unter Tränen nahm er Abschied von seinem Geburtsort und zog auf den Stammsitz seiner Familie nach Branitz. Das damals 100 Jahre alte Schloss ließ er von Gottfried Semper, dem Architekten der Dresdener Oper, zu einem Schmuckstück herrichten.

Pückler selbst stürzte sich wie ein Besessener auf die Arbeiten im Landschaftspark und dachte sich immer neue, einzigartige Elemente aus. Ein Meisterwerk gelang ihm mit der Schilfseepartie und den Pyramiden. 1857 war die Seepyramide fertig, sechs Jahre später die Landpyramide. In Inneren der Seepyramide wurde er im Jahre 1871 beerdigt. Heute liegt an seiner Seite seine Frau Lucie, die 1854 gestorben war.

Zur Startseite