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Berlin: Ein Gastgeber repräsentiert und genießt

Im Schauspielhaus sprach Wowereit als Bundesratspräsident

Der Blumenschmuck ist sparsam, Berlin hat kein Geld. Ein einziges Bukett gelber Gerbera ziert die Bühne im Schauspielhaus. Klaus Wowereit ist diesmal als Bundesratspräsident das politische Geschenk zugefallen, die zentralen Feierlichkeiten auszurichten. Der Regierende Bürgermeister genießt es sichtlich und repräsentiert gekonnt. Seine erste über die Berliner Landespolitik hinaus greifende Rede wird mit viel Zwischenapplaus bedacht und hinterher gelobt.

Im Schauspielhaus, wo sich die DDR am 2. Oktober 1990 verabschiedet hat, wird mit Mozart bezaubernd auf den Festakt eingestimmt. Schade, dass der Kontrast danach nicht größer sein kann. In einem knapp fünf Minuten dauernden Film flimmern unter lautem Gewummer Szenen und Zitatfetzen aus 13 Jahren seit dem Fall der Mauer vorbei. Das geht daneben. Die Bilder sind kaum erkennbar, und mit der Einheit haben sie nicht viel zu tun. Ein schlecht gemachter „Actionclip“, lautet das Urteil später beim Empfang.

Doch das wird verziehen, denn eine anrührende Note entschädigt das Publikum. 26 Kinder aus Berliner Europa-Schulen, alle nach der Wende geboren, treten jeweils zweisprachig auf die Bühne und nennen ihre Zukunftswünsche, zum Beispiel, „dass so etwas wie die Mauer nie wiederkommt“. Die Bauelemente, die sie mit sich schleppen, wirken ganz verwirrend, aber auf einmal steht ein Modell vom Brandenburger Tor da. Wowereit hilft den letzten Steppkes, die Quadriga draufzusetzen. Es ist ein herzerwärmendes Erlebnis, der Applaus herzlich, ja stürmisch.

Alles dreht sich beim Festakt um Rückblick und Ausblick, wie es sich gehört. Wowereit dankt allen, die zum Gelingen der Einheit beigetragen haben. Er nennt stellvertretend George Bush, Michail Gorbatschow und Francois Mitterrand, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, Lothar de Maizière und Markus Meckel. Er erinnert auch an die mutigen Bürgerrechtler in der DDR, der Sowjetunion, in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei als „Wegbereiter und Helden der friedlichen Revolution“. Seine Bestandsaufnahme fällt verheißungsvoll aus, natürlich. „Das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist gewachsen“, sagt er. Die Deutschen könnten stolz auf das in zwölf Jahren Erreichte sein. Aber die innere Einheit sieht er noch lange nicht vollendet. Man dürfe sich nicht mit dem Ost-Westgefälle der materiellen Lebensbedingungen abfinden.

Man spürt in Berlin die Folgen der Teilung, doch ebenso die Fortschritte bei deren Überwindung. Der Bund bekommt von Wowereit einen dezenten, aber deutlichen Wink. Berlin brauche die Hilfe des Bundes, um seine Aufgaben als weltoffene Bundeshauptstadt und europäische Metropole zu erfüllen.

Wer durch die Stadt geht, kann sehen, wie viel sich verändert hat. Potsdamer Platz, Reichstag , der wachsende Lehrter Bahnhof... Hauptbahnhof kommt Wowereit nicht über die Lippen. An dieser Stelle wendet sich Wowereit mit einem Scherz über den Berliner Hang zu Traditionen an Gerhard Schröder: „Ja, Herr Bundeskanzler, der Bahnhof heißt immer noch Lehrter Bahnhof!“ Der Kanzler pariert seinerseits mit einer ironischen Geste. Er beugt sich vor und applaudiert betont enthusiastisch. Gelächter im Publikum. Selbstdistanz kann ja auch an einem so stolzen Tag nicht schaden. Brigitte Grunert

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