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Berlin: „Ein Geschenk für die Mittelschicht“

PDS-Chef Lederer kritisiert Wowereits Gratis-Kita, die Grenzen des Sparens und Differenzen mit der SPD

Sie haben nach dem Urteil von Karlsruhe gesagt: Berlin ist ein gallisches Dorf – einsam, aber frei. Wer ist denn für Sie der Druide Miraculix, der mit seinem Zaubertrank Berlin zu neuer Kraft verhilft?

Der Zaubertrank des Miraculix ist nicht zu finden. Wir leben in der wirklichen Welt, nicht in einem Comic. Und wir können froh sein, dass wir keinen Troubadix haben, der immer die traurige Musik spielt, die keiner hören will.

Aber ist das nicht die Rolle des Finanzsenators, der immer vom Sparen singt, auch wenn Sie das nicht hören mögen?

Nicht ganz. Die Aufgabe eines Finanzsenators ist natürlich, die Finanzen in Ordnung zu halten. Wir können allerdings nicht nur darüber nachdenken, was im nächsten Haushaltsjahr, in der nächsten Wahlperiode an Einsparungen zu erbringen ist. Die Stadt muss anders zu denken lernen. So wie wir uns gefragt haben, was kurzfristige Einsparungen für langfristige, negative Folgen hätten. Wir finden, es macht Sinn, die Mittel auf das zu konzentrieren, was für die Stadt wichtig ist: Bildung, Armutsbekämpfung zählen dazu.

Also Schluss mit der Sparpolitik – und die 61 Milliarden Euro Schulden ignorieren?

Was wir jetzt in den Koalitionsverhandlungen beschlossen haben, ist eine Fortsetzung des Konsolidierungskurses. Es ist aber keine erneute Verschärfung. Wir konzentrieren uns stärker als zuvor auf die Einnahmeseite und schauen, wo wir den Bund stärker unter Druck setzen müssen, um Berlin in dieser prekären Situation Aufgaben abzunehmen. Vor dem Gang nach Karlsruhe haben wir das getan, was der Stadt zuzumuten war. Wenn wir jetzt noch weitere radikale Einsparungen vornehmen würden, müssten wir uns fragen lassen: Wieso habt Ihr das nicht schon vor Karlsruhe gemacht?

Bei den Steuererhöhungen hat sich offenbar die SPD durchgesetzt. Sie wollten die Gewerbesteuer anheben, also Unternehmer belasten. Stattdessen nehmen Sie jetzt mehr Geld von Grundbesitzern und mittelbar auch von Mietern. Widerspricht das nicht den Zielen Ihrer Partei?

Die Debatte war nicht einfach. Aber wir haben uns entschieden, die Gewerbesteuer nicht anzufassen, um kleine und mittelständische Unternehmen zu verschonen. Die günstigen Gewerbesteuern in Berlin sind ein Vorteil im Wettbewerb gegenüber anderen Städten.

Dafür müssen jetzt die Mieter draufzahlen, die langfristig die höhere Grundsteuer zu spüren bekommen.

Nicht direkt. Bei der Grundsteuer wird zuerst das Eigentum an einem Grundstück besteuert. Der Eigentümer kann das aber auf die Mieter umlegen. Das kann zu Mehrkosten von drei bis vier Cent pro Quadratmeter im Monat führen.

Sie haben angekündigt, mit dem Bund über eine Erhöhung der Steuerquote zu reden. Wieso sollte der Bund auf Berlin hören?

Der Bund redet natürlich nicht gern über die Einnahmesituation der Länder und Kommunen. Aber wenn wir das Jahr 2006 mit 1989 vergleichen, sehen wir: Mit der Steuerquote von damals hätte Berlin derzeit kein Einnahmeproblem.

Wie wollen Sie das ändern?

Berlin hat ja nicht als einziges Bundesland ein langfristiges Finanzierungsproblem. Die Haushalte sind generell unterfinanziert bei einer zunehmenden Last von öffentlichen Aufgaben. Insofern wird die Debatte über Bund-Länder-Finanzen jetzt von vielen geführt. Die Ungerechtigkeit werden wir als Linke allen voran thematisieren. Wir sind derzeit schließlich Teil der einzigen rot-roten Regierung.

Das klingt gerade nach einer anderen linken Partei, der Sie im Wahlkampf attestiert haben, sie seien Traumtänzer: Die WASG wollte ebenfalls soziale Wohltaten mit Steuererhöhungen finanzieren...

Die Linkspartei hat diesen Diskurs für richtig gehalten. Sie hat nur gesagt: Mit Blick auf Karlsruhe löst man so das Berliner Problem nicht. Wir mussten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir in Karlsruhe wenigstens unser Anliegen vortragen dürfen. Berlin ist dennoch in der Verantwortung, seine Einnahmen und Ausgaben im Griff zu halten.

Ein Thema haben Sie in den Koalitionsverhandlungen bisher nicht problematisiert: Die 37 Millionen Euro jährlich, die Klaus Wowereit im Wahlkampf für die freien Kitajahre versprochen hat. In Ihrer Partei ist das nicht gut angekommen. Wieso tragen Sie dieses gerade besser situierten Familien nützende Wahlgeschenk dennoch mit?

Was bei uns nicht gut angekommen ist, war die nicht geführte Diskussion, bevor der Vorschlag von Klaus Wowereit öffentlich gemacht wurde. Wir sind sehr wohl der Ansicht, dass Kita als Bildungseinrichtung mit freiem Zugang für alle dringend erforderlich ist. Wir haben mit der SPD aber einen Dissens über den Zugang zur Kita. Wir möchten, dass die Vergünstigungen vor allem denen zugute kommen, die sie brauchen. Wenn es bei den bisherigen Kita-Zugangskriterien bleibt, wäre die Freistellung ein Geschenk für die Mittelschicht. Wir fordern von der SPD, Kitas stärker für sozial Benachteiligte zu öffnen. Die sogenannte Bedarfsprüfung muss weg.

Thema öffentlicher Dienst: Hier sieht vor allem die SPD Sparpotenzial. Welchen Beitrag kann der öffentliche Dienst für die weitere Haushaltskonsolidierung leisten?

Die Frage ist, was kann man den Beschäftigten zumuten. Die sind durch den Solidarpakt vom bundesdeutschen Tarifniveau abgekoppelt worden, haben bei kürzerer Arbeitszeit auf Einkommen verzichtet. Es ist ihr legitimes Interesse, dass es nicht dauerhaft so bleibt. Das ist auch unser politisches Ziel. Jetzt müssen wir mit den Gewerkschaften gemeinsam gucken, wie weit eine schrittweise Angleichung ans bundesweite Tarifniveau möglich ist.

Aber Sie wollen doch sparen, nicht wieder mehr ausgeben?

Im Moment sparen wir durch den Solidarpakt. Aber der läuft im Jahr 2009 aus. Ohne Neuregelungen würde das eine automatische Mehrbelastung des Landeshaushaltes um etwa 200 Millionen Euro bedeuten. Deswegen müssen wir jetzt mit den Gewerkschaften verhandeln und sehen, dass wir über 2009 hinaus eine weiter sozial verträgliche Lösung finden, bei der beide Seiten ihren Beitrag leisten.

Die PDS müsse ihr soziales Profil schärfen, hieß es nach der Wahl. Wo ist in den bislang getroffenen Vereinbarungen mit der SPD Ihre Handschrift zu sehen?

Da, wo wir unsere Schwerpunkte umsetzen konnten. Das sind die öffentlich geförderte Beschäftigung, die Verhinderung von Privatisierung bei der Daseinsvorsorge, der Einstieg in die Gemeinschaftsschule, die Verhinderung von Studiengebühren und der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Hier zeigt sich, dass die Sozialdemokraten mit uns darin übereinstimmen, dass Gestaltungspolitik die Antwort auf Karlsruhe sein muss, nicht der Reflex der Abrissbirne.

Das Gespräch führte Lars von Törne

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