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Vor einem Jahr war Berlin voll mit Plakaten, die für oder gegen die Initiative Pro Reli warben.

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Ein Jahr nach Pro Reli: Im Glauben bestärkt

An diesem Montag jährt sich die Abstimmung über das Volksbegehren "Pro Reli". Damals verfehlte die von den Amtskirchen unterstützte Initiative die Zustimmung. Die Niederlage hat die Kirchen zusammengeschweißt – und dem Fach Religion neue Schüler beschert.

Die evangelische und die katholische Kirche wollen ab Herbst gemeinsam Religionsunterricht an Berliner Schulen anbieten. „Unsere Zusammenarbeit ist viel enger geworden seit der Volksabstimmung ,Pro Reli‘ vor einem Jahr“, sagt Rupert von Stülpnagel, der im Erzbistum das Schulreferat leitet. Da es finanziell immer schwieriger werde, kleine Schülergruppen doppeltkonfessionell zu betreuen, habe man sich darauf geeinigt, dass künftig an einer Schule die evangelische Kirche die Verantwortung über den Unterricht hat, in der anderen die katholische. Natürlich sei ein gemischtkonfessioneller Unterricht thematisch etwas anders angelegt, als wenn jede Konfession ihren eigenen Unterricht durchführe, sagte von Stülpnagel. Wie dies im Einzelnen aussehen werde, werde momentan beraten.

Am heutigen Montag jährt sich die Abstimmung über das Volksbegehren „Pro Reli“. Damals verfehlte die von den Amtskirchen unterstützte Bürgerinitiative „Pro Reli“ das notwendige Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Berliner; zudem wurde der Gesetzentwurf von den Abstimmenden abgelehnt. Die Initiative „Pro Reli“ hatte dafür gekämpft, dass der Religionsunterricht an Berlins Schulen zu einem regulären Wahlpflichtfach wird, so wie es in den meisten anderen Bundesländern der Fall ist. In Berlin können Schüler Religionsunterricht als freiwilliges Fach wählen.

Das Zusammenrücken der beiden Kirchen, zumindest was den Religionsunterricht angeht, ist eine Folge der Volksabstimmung, in deren Vorfeld die Kirchen sich eng abgestimmt hatten. Das Erzbistum und die evangelische Landeskirche sehen aber noch eine andere positive Entwicklung: „Jetzt, da die Fronten geklärt sind, kommen sehr viele Schulleitungen auf uns zu und bitten uns, Religionsunterricht bei ihnen anzubieten“, sagt Rupert von Stülpnagel. Die Schülerzahlen sinken, der Wettbewerb unter den Schulen um die Kinder nehme zu, sagt der Schulexperte. Er stelle fest, dass immer mehr Schulen den Religionsunterricht offenbar als Wettbewerbsvorteil begreifen. Vor allem in bürgerlichen Vierteln sei das so.

Auch Steffen-Rainer Schultz, der das Schulreferat der evangelischen Landeskirche leitet, freut sich, dass die Teilnahme am Religionsunterricht nach dem Volksentscheid nicht abgenommen, sondern eher noch zugenommen habe. Vor allem an den Oberschulen gebe es eine „sehr positive Resonanz“. Laut Kulturverwaltung des Senats nehmen zurzeit 22,1 Prozent der Schüler am Religions- und Weltanschauungsunterricht teil, im Schuljahr 2006/07 waren es 21,4 Prozent.

Dass die Teilnehmerzahlen konstant geblieben beziehungsweise noch ein bisschen gestiegen sind, führen die Kirchen darauf zurück, dass mittlerweile an über 60 Schulen Religions- und Ethiklehrer kooperieren. „Ethiklehrer haben gemerkt, dass die Zusammenarbeit mit den Religionspädagogen das Fach Ethik bereichert“, sagte Kirchenschulrat Schultz. Die Kooperation hänge davon ab, inwieweit die Personen miteinander könnten oder eben nicht. Das regle jede Schule für sich. „Da wollen wir nicht reingrätschen“, so Schultz.

Was jedoch den Status des Religionsunterrichts angeht, ob er in irgendeiner Weise in den Fächerkanon integriert werden könne, da sei man mit der Bildungsverwaltung im Senat „keinen Schritt weitergekommen“, heißt es aus beiden Kirchen. Daran hat auch der Wechsel an der Spitze der evangelischen Landeskirche nichts geändert. Markus Dröge, der einen Monat nach der Volksabstimmung von der Landessynode zum Nachfolger von Wolfgang Huber gewählt wurde, sagt: „Der Streit um ,Pro Reli‘ ist Geschichte.“ Die Gräben, die das Volksbegehren auch innerhalb der evangelischen Kirche aufgerissen hatte, als „Christen Pro Ethik“ gegen das kirchliche Engagement für ein Pflichtfach Religion protestierten, sieht er überwunden. Nun gelte es, „den Religionsunterricht zu konsolidieren“.

„Den Religionslehrerinnen und Religionslehrern hat es gutgetan, dass ihr Fach im vergangenen Jahr so viel Aufmerksamkeit bekommen hat“, sagt Bischof Dröge. Ähnlich äußert sich auch die katholische Kirche. „Ich bin sehr froh, dass ,Pro Reli‘ stattgefunden hat“, sagt der Leiter der Schulabteilung im Erzbischöflichen Ordinariat, Hans-Peter Richter. Die Debatte über die Volksabstimmung hätten das öffentliche Bewusstsein für den Religionsunterricht gestärkt. Dies habe man etwa daran gemerkt, wie viele Schüler und Eltern auf die Straße gegangen seien.

Heute würde das freilich nicht mehr geschehen, meint Gerhard Weil. Der Sprecher des Bündnisses „Pro Ethik“ geht davon aus, dass eine Volksabstimmung zum Religionsunterricht angesichts der jüngsten Missbrauchsskandale vor allem in der katholischen Kirche „heute wesentlich katastrophaler ausfallen“ würde als noch vor einem Jahr. „Die Glaubwürdigkeit der Kirchen ist zum Teufel“, sagt Weil. Doch das interessiert die in „Pro Ethik“ zusammengeschlossenen Gruppen und Initiativen nur am Rande. „Wir arbeiten weiter an einer Verbesserung des Ethikunterrichts“, sagt Weil. Mit dem Schulsenator sei man im Gespräch darüber, wie etwa Informationen über die Weltreligionen und Themen aus dem Bereich der Menschenrechte stärker im Lehrplan für Ethik verankert werden könnten. „Und auch bei der Weiterbildung der Ethiklehrer muss noch einiges getan werden“, sagt Gerhard Weil. Die Arbeit jedenfalls gehe dem Aktionsbündnis auch ein Jahr nach der Volksabstimmung noch nicht aus.

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