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Foto: dapd/Jens Schlueter

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Berlin: Ein klarer Fall von Entfremdung Warum Kerstin Kaiser

den Chefposten abgibt.

Potsdam - Der Vorgang ist für die Linke in Brandenburg eine Zäsur: Mitten in der rot-roten Regierungszeit lässt die Fraktion ihre langjährige Chefin Kerstin Kaiser fallen, die zu den bekanntesten Linke-Politikern im Land zählt. Offiziell ist von Rückzug die Rede, und dass Kaiser selbst nicht erneut für den Vorsitz kandidieren will. Bis zur Wahlklausur wurde zu den wahren Gründen Stillschweigen vereinbart – auf ihren Wunsch.

Eine geordnete Machtübergabe sieht anders aus, geben selbst Abgeordnete zu. Hinter den Kulissen hatten vor allem die Spitze der Landespartei, aber auch Vertraute der Fraktionsführung an dem Wechsel gearbeitet: Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer, Strippenzieher und Stratege für Rot-Rot, der den Vorsitz übernimmt, und Stefan Ludwig, Fraktionsvize und seit Frühjahr Landesparteichef. Kaiser selbst hatte mit dem Amt geliebäugelt, dann aber nicht kandidiert.

Sieben Jahre lenkte die 52-Jährige die Fraktion, führte die Linke als Spitzenkandidatin in einen erfolgreichen Wahlkampf und in Brandenburgs erstes rot-rotes Bündnis seit 1990. Ein Ministeramt blieb ihr wegen ihrer früheren, seit den Neunzigerjahren bekannten Stasi-Tätigkeit verwehrt. Mit SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck aber konnte sie gut. Der soll irritiert reagiert haben auf den Sturz der „Kaiserin“. Angesichts der Flughafenkrise wolle Platzeck Ruhe im rot-roten Stall haben, heißt es. Führende Linke-Politiker betonen daher: „Es bedeutet keinen politischen Kurswechsel.“

Der Abgang hatte sich abgezeichnet. Mehrfach forderte der Parteivorstand eine „starke, geschlossene Fraktion“. Schon auf dem letzten Linke-Landesparteitag im Frühjahr war die Unzufriedenheit mit der Fraktion und ihrer amtsmüde wirkenden Vorsitzenden deutlich spürbar. Zudem war Kaiser nicht nur einmal aufgefordert worden, ihren Führungsstil zu ändern. Immer häufiger ließen Abgeordneten ihren Frust heraus: Sie erkläre sich nicht, führe nicht, setze keine Schwerpunkte, habe den Draht zur Fraktion verloren, ziehe sich Arbeit auf den Tisch und bringe sie nicht zu Ende. Stattdessen sah Kaiser es zunehmend als ihre Aufgabe an, in den Turbulenzen der Bundespartei weiter für Rot-Rot zu werben und den Realo-Flügel zu stärken. Ein klarer Fall von Entfremdung, hieß es.

Vor der für nächste Woche geplanten Klausur zogen die Spitzen von Partei und Fraktion Bilanz, Kaiser überhörte die Signale. Vom Landesvorstand hieß es dann: „Deutlich wurde in den Gesprächen, dass Kerstin Kaiser bei einer erneuten Kandidatur wahrscheinlich keine Mehrheit in der Fraktion erhalten hätte.“ Zwar bot man ihr einen Posten im Fraktionsvorstand an, wegen ihrer Verdienste und ihrer „besonderen Qualitäten“ als Rednerin, auch an der Basis ist sie beliebt. Doch dafür war sie wohl zu stolz und machtbewusst, sie lehnte ab. Ein Problem ist die Linke nun los: Der Spitzenkandidat für 2014 wird voraussichtlich kein Ex-Stasi- Informant sein.A. Fröhlich/T. Metzner

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