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Berlin: Ein Leben in Goldbrokat

Pompös sieht er an diesem Nachmittag nicht aus. Eher schlicht mit dem schwarzen Anzug, dunklem Hemd und Schlips.

Pompös sieht er an diesem Nachmittag nicht aus. Eher schlicht mit dem schwarzen Anzug, dunklem Hemd und Schlips. Nur die auffallenden Silberringe an den Fingern mit überlangen, lackierten Nägeln erinnern an den schrillen Paradiesvogel Harald Glööckler, der der Berliner Gesellschaft aus Stuttgart zuflatterte - mit Perlenschnüren im Dutzend um den Hals, schwarzumränderten Augen, rotgemalten Lippen und in brokatenen Prunkgewändern à la Pomp am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV.

"Hier kann man in dem Outfit sogar U-Bahn fahren", freut er sich über tolerante Leute, "kürzlich wollte einer in der U 6 sogar ein Autogramm von mir." Auffallen um jeden Preis ist die Geschäftsdevise des Modemachers, der sich und seinem Label deshalb ein doppeltes "ö" verpasst hat. Im Modecenter Berlin kann man ihn in seinem Showroom besuchen. "Pompöös" steht auf dem Schild, das im Eingang Marlene Dietrich als überlebensgroßer "Blauer Engel" mit Zylinder und in Strapsen in der Gipshand hält. Und pompös ist auch ohne das zweite "ö" alles, worauf das Auge fällt: Goldfarbene, zierlich geschwungene Stühlchen, seidene und brokatene Roben mit viel Glitzer, satten Farben und barocker Fülle; auch Gemälde aller Art und Größe, in gülden verschnörkelten, schlichten und manche in gar keinem Rahmen. "Die sind von mir, ich male nicht, ich werfe Farbe auf das Bild", erklärt Glööckler. An seine Zeit als Baby erinnert ein Foto auf dem Kamin und an Lotti Huber ein voluminöses silbergraues Cape auf einer Schneiderpuppe. "Das bekommst Du wieder", hatte sie vor ihrem Tod bestimmt. Auf einem Tischchen funkeln Flakons, der schwere Parfümduft zieht bis in den Nebenraum. Der ist weniger pompös - lange Arbeitstische, Fax und Telefon, hinter einem Wandschirm Kühlschrank und Kaffeemaschine.

Hier arbeitet "Der Modeprinz" - so heißt der Bildband über Harald Glööckler, der zur Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde. Eine "märchenhafte Biografie" verspricht das Buch über den schwarzhaarigen jungen Mann, dessen "bessere Hälfte" Dieter Schroth dem Besuch am Mariendorfer Damm jetzt erstmal Kaffee kocht. Den 17 Jahre älteren Geschäftsmann lernte der Modemacher kennen, als er noch schlicht Glöckler hieß und von "Pompöös" noch nicht mal träumte. Dafür um so mehr davon, berühmt zu werden.

Und rauszukommen. Raus aus dem bei Pforzheim gelegenen Maulbronn, wo die Eltern in der Gastronomie arbeiteten. Statt eines Traums erlebt der Junge dort mit 14 Jahren ein Trauma: Er sieht, wie der verhasste Vater - ein Alkoholiker - die über alles geliebte Mutter im Streit so von sich stößt, dass sie die Treppe hinabstürzt. Drei Tage später war sie tot - "mein Vater aber lebte, fraß, soff und hurte". Und der Sohn träumte sich fortan aus der hässlichen Gegenwart in eine schönere Welt. Mit einem Schloss - "das machst Du Dir selbst", nahm er sich vor.

Zunächst war es ein Apartment in Mühlacker bei Stuttgart, wo er in der Herrenabteilung eines Modehauses arbeitete. Daheim entwarf er aus Spaß Kleider - "nähen war nicht mein Ding" - und sah sich vorm Spiegel schon als deutsche Antwort auf Versace. In einer Mannheimer Schwulenbar lernte er seinen heutigen Lebens- und Berufspartner kennen. Dieter Schroth war frisch geschieden und hatte nicht nur seine zwei Töchter, sondern auch sein Vermögen verloren. Seine Unternehmenslust nicht - "Jeans Garden" hieß der gemeinsame Laden, in dem sie ab 1987 in Stuttgart Jeans und vor allem Hemden verkauften, die Glöckler vorher mit allerlei Tand aufrüschte. "Fünfhundert Hemden habe ich pro Jahr verziert", erinnert sich der 32-Jährige an seinen Karrierestart "wie die Chanel, die hat auch mit Hüten angefangen, die sie verziert hat".

Das war dem Stuttgarter Szenepaar bald zu wenig. Unter eigener Marke wollte es die Welt erobern - natürlich pompös, denn das liebte der autodidaktische Modeprinz in spe. Warum also nicht Pompös als Marke, und so, dass man es nicht vergisst - also noch ein "ö" dazu. Das erste "Pompöös"-Firmenschild war handgemalt und aus Pappe, aber mit Krönchen und weltweit geschützt. Bis zum zweiten "ö" für das Gesamtkunstwerk Glöckler war es dann nur ein Gedanke. "Ich bin meine eigene Marke", sagt der exzentrische junge Mann.

Die erste "Pompöös"-Modespektakel veranstaltete er 1994 im Stuttgarter Schloss - darunter hätte er es nicht gemacht. Auch nicht unterhalb von Promis wie Gina Lollobrigida, Brigitte Nielsen, Bo Derek, Helmut Berger oder Erina Prinzessin von Sachsen, die der inzwischen auch schon mal in Zeitungen als "schwäbischer Versace" bezeichnete Modemacher in der Folge für sich einspannte - auf und am Catwalk. "Du bist ein Genie", lobte in Rom "Lollo" ihren jugendlichen Freund. "Ihr habt uns hier gerade noch gefehlt" freute sich in Berlin Ulla Klingbeil, endlich jemand zu haben, "der Frauen mit Formen" anzieht. Zum Beispiel jüngst Maja von Hohenzollern zur Aids-Gala mit cremefarbener Seide, die mit Goldfäden bestickt war, dazu ein Jäckchen aus Goldbrokat.

Die jahrelangen pompöösen Auftritte, für die er sich im Fitnesstudio stählt - "hier, fass mal an", lüpft er sein Hemd und legt einen gebräunten Waschbrettbauch frei - haben sich inzwischen gelohnt. Ein Schloss hat Harald Glööckler zwar immer noch nicht, aber immerhin Lizenznehmer für Seidentücher, Dessous und demnächst auch Parfüm unter dem Label "Pompöös". Und Ideen hat er noch viele - "ich glaube, ich bin nicht uninteressant".

Heidemarie Mazuhn

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