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Berlin: Ein Riss geht durch die „Versöhnte Einheit“

Von Rainer W. During Spandau.

Von Rainer W. During

Spandau. „Es ist eine Tragödie“ sagt Pfarrer Norbert Rauer. Durch Bauarbeiten neben dem Gotteshaus ist eine Vielzahl von Rissen in der Südwand der Staakener Dorfkirche entstanden. Sie ziehen sich quer durch das Monumentalbild „Versöhnte Einheit“, das hier nach Entwürfen des italienischen Künstlers Gabriele Mucchi entsteht, der am 10. Mai, wenige Wochen vor seinem 103. Geburtstag, in Mailand gestorben ist.

Neun Jahre hatte die Gemeinde, deren historische Kirche nach dem Mauerbau direkt am Todesstreifen lag und zur Wendezeit zum Treffpunkt der Opposition wurde, um die Realisierung des Gemäldes gekämpft. Das Bild soll zur Überwindung der in vielen Köpfen noch bestehenden Teilung Deutschlands beitragen und ein Zeichen der Hoffnung setzen. Denn gerade in Staaken wird die Geschichte besonders deutlich. Nach einem Gebietstausch der Alliierten war die Westhälfte des Ortsteils 1951 von der DDR annektiert worden. 1990 kam es mit der Vereinigung zur Rückgemeindung in den Berliner Bezirk Spandau.

Die „Versöhnte Einheit“ zeigt zwölf Reformer aus dem 16. Jahrhundert, die einander ausschließende Ansichten vertreten. Wissenschaftler, Humanisten, Politiker, Künstler und Theologen verschiedenen Konfessionen, darunter Martin Luther und Ignatius von Loyola. Sie versammeln sich vor dem Hintergrund der ehemaligen Staakener Grenzlandschaft an der Heerstraße unter dem versöhnenden Kreuz Christi. Dieses steht genau dort, wo früher die Mauer verlief.

Gabriele Mucchi hat die Entwürfe der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt. Doch bei der Realisierung des 36 Quadratmeter großen Gemäldes stieß die kleine Kirchengemeinde immer wieder auf neue Schwierigkeiten. Dank vieler Spenden und einem Zuschuss der Stiftung Kulturfonds gelang es schließlich, die Gesamtkosten von rund 30 000 Euro aufzubringen. Die Ausführung übernahm der Berliner Maler und Grafiker Joachim Beyer, der an der Weißenseer Kunsthochschule beim Mucchi-Schüler Hans Vent studierte.

Etwa die Hälfte des Werkes ist inzwischen fertig gestellt, sagt Beyer. Die Figuren und das Kreuz sind an der Wand zu sehen, der Hintergrund fehlt jedoch noch. Dann kam jener Tag, an dem die Wege im Kirchhof befestigt wurden. „Ich habe noch davor gewarnt, aber die beauftragte Firma hat eine Rüttelmaschine eingesetzt“, berichtet Pfarrer Rauer. Prompt übertrugen sich die Schwingungen auf das gerade erst sanierte Gotteshaus. Auf 10 bis 15 Meter schätzt Joachim Beyer die Gesamtlänge der Risse, die sich jetzt durch sein Werk ziehen. Sie müssen jetzt aufgekratzt und neu verputzt werden. Anschließend gilt es, die Schadstellen so zu übermalen, damit keine Farbdifferenz erkennbar ist. „Vielleicht spiegelt das ja den politischen Hintergrund wider“, sagt Pfarrer Rauer zu dem neuerlichen Rückschlag. Ungeachtet dessen wird am Einweihungstermin festgehalten. Am 8. September werden viele Gäste aus dem In- und Ausland erwartet. Joachim Beyer hofft, dass er das Monumentalgemälde trotzdem bis zu diesem Zeitpunkt fertigstellen kann. Eventuell sind danach noch Feinarbeiten erforderlich. Die Originalentwürfe werden in der Woche vor der Einweihung in der Landesvertretung von Mecklenburg-Vorpommern ausgestellt, denn ursprünglich hatte Mucchi das Werk in einem dortigen Gotteshaus verwirklichen wollen.

Der italienische Künstler, der von 1956 bis 1961 an der Weißenseer Hochschule lehrte und zeitweilig in Friedrichshain lebte, wird am 3. Juni um 12.30 Uhr auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde an der Seite seiner ersten Ehefrau, der Bildhauerin Jenny Wiegmann, beigesetzt.

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