zum Hauptinhalt

Berlin: Ein Streiktag in vollen Zügen

S-Bahn konnte Ersatzfahrplan nicht einhalten. Zwei Drittel der Züge ausgefallen. Auch U-Bahnen voll

Die Bahn musste gestern beim erneuten Streik erheblich mehr Züge ausfallen lassen als geplant. Der mühsam aufgestellte Notfahrplan konnte meist nicht eingehalten werden, weil weniger Lokführer zum Dienst erschienen seien als bei den vorangegangenen Streikationen,sagte ein Bahnsprecher. Bei der S-Bahn konnten nur etwa tausend Fahrten stattfinden; normal sind 3000. Und im Regionalverkehr fuhren nur etwa 10 bis 20 Prozent der sonst üblichen Züge. Der Streil soll heute um 8 Uhr zu Ende gehen. Bis der Verkehr dann wieder normal läuft, werden mehrere Stunden vergehen.

Auch im Zentum konnte die S-Bahn statt der angestreben 10 Minuten auf der Stadtbahn ab Mittag nur noch alle 20 Minuten fahren; zum Teil mussten die Fahrägste sogar nich länger auf die Züge warten. Auf den Außenstrecken gab es oft nur einen 40-Minuten-Takt; vorgesehen waren hier 20 Minuten. Einige Linien fielen komplett aus.

Vergleichsweise hatte man dabei in Berlin sogar noch Glück: In München fuhr nur alle Stunde eine S-Bahn, in Stuttgart fielen drei von sechs Linien aus.

Zehn Millionen Euro pro Tag betrage der Schaden bundesweit durch Kundenverlust und nicht gezahlte Landesgelder, sagte Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch. Allein Berlin und Brandenburg zögen der Bahn pro Streiktag für ausgefallene Züge jeweils rund 500 000 Euro ab, sagte der Sprecher des Infrastrukturministeriums in Potsdam, Lothar Wiegand.

Der Brötchenkiosk auf dem Regionalbahnsteig am Alexanderplatz hat am Donnerstagmorgen kaum Kunden. Viele Pendler aus dem Umland sind wohl aufs Auto umgestiegen. Gegenüber auf dem S-Bahnsteig ist es dagegen morgens um halb acht deutlich voller. Im Durchschnitt fährt alle 15 Minuten ein Zug Richtung Hauptbahnhof. Entsprechend groß ist das Gedränge.

Unmut herrschte vor allem bei den Kunden der Regionalbahn. „Einfach genervt“, ist eine Studentin, die nach Frankfurt (Oder) muss – und eine Stunde wartet. Am S-Bahnsteig gab es mehr Verständnis für die Lokführer: Eine Verkäuferin, Anfang Zwanzig, musste zwar eine Stunde früher aufstehen, um mit der U-Bahn zur Arbeit zu fahren. Dennoch hält sie den Streik und die Lohnforderungen der Lokführer für gerechtfertigt.

Weiter unten bei der U-Bahn waren die Bahnsteige dagegen überfüllt. Nicht alle Fahrgäste fanden in den Zügen Platz und mussten am frühen Vormittag zum Teil bei der Abfahrt auf dem Bahnsteig zurückbleiben. Die BVG hatte nach Angaben ihres Sprechers Klaus Wazlak auch zusätzliche Züge eingesetzt worden. Erhebliche Verspätungen bis zu 40 Minuten gab es bei den Bussen, weil die Straßen dicht gewesen seien.

„GDL-Streikcafé im 1. OG“ heißt es auf einem Gewerbegelände am Ostkreuz. Auf den Stufen stehen Männer in den blauen Blousons der S-Bahner. Einer schlägt mit den Handrücken auf eine Zeitungsannonce. „Das ist das beste Angebot, das wir machen können“, steht da in der roten Farbe der Deutschen Bahn. „Bis zu 10 Prozent mehr Gehalt“, heißt es in der Anzeige. 10 Prozent für drei Stunden mehr Arbeit, hält einer der Streikenden für lächerlich. Die ebenfalls erwähnten 2000 Euro Einmalzahlung stellen ihn ebenso wenig zufrieden. „Davon werden 1400 Euro nur im Ausgleich für 104 Überstunden gezahlt. Wer die nicht hat, bekommt nur 600 Euro.“

Rund 70 Prozent der Berliner S-Bahnfahrer seien in der GDL organisiert, schätzt Enrico Forchheim, Chef der GDL-Ortsgruppe für die S-Bahn. Die Stimmung sei gut. Forchheim setzt darauf, dass die GDL ab nächster Woche auch Güter- und Fernverkehr bestreiken darf. „Dann wird Mehdorn wirtschaftlich unter Druck geraten.“ Eigentlich hat er Urlaub. Doch wegen des Streiks war er schon um sechs Uhr im Streikcafé.

Alle Streikenden müssen sich zum Arbeitsbeginn bei ihrer Dienststelle melden. Viele von ihnen sitzen im Café und diskutieren. „Sogar die polnischen Lokführer verdienen mehr“, ruft einer. Sie wollen mehr Anerkennung, mehr als die maximal 2050 Euro brutto. Besonders anstrengend seien die ständig wechselnden Schichten. „Mal fange ich um 4.30 Uhr an, mal um 17 Uhr.“ Das ist während des Streiks nicht besser: Forchheim hat bis 18 Uhr Streikdienst, dann wieder ab Mitternacht. kt/obs/utz

Zur Startseite