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Berlin: Ein süßer Typ

Christoph Wohlfarth ist Chocolatier. Aus seinem Lieblingsmaterial formt er alles – sogar Notenschlüssel

Der Plattenspieler steht auf der Arbeitsfläche, mitten in der großen Küche. Aus den Lautsprechern kommt ein Knistern wie bei einem alten Grammofon und Trude Herrs Stimme: „Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann!“ Chocolatier Christoph Wohlfarth stoppt den alten Schlager und nimmt die Schallplatte in die Hand, vorsichtig, damit sie nicht zwischen seinen Fingern schmilzt. „Sie ist ganz zerkratzt“, sagt er. „Wir haben sie aber auch schon vier oder fünf mal abgespielt. Jetzt kann man sie aufessen.“ Was?

Genau. Die braune Scheibe ist nicht aus Schellack, sondern aus Schokolade. Neben dem Plattenspieler steht ein Holzbrett voller Köstlichkeiten: hauchdünne Schokoladen-Salzstangen und feine Pralinen, zum Beispiel die Sorte Balsamico-Honig. Hergestellt hier in der neuen Küche hinter dem Schokoladengeschäft In’t Veld an der östlichen Ecke des Helmholtzplatzes in Prenzlauer Berg. Christoph Wohlfarth hat sie kreiert.

Vier essbare Schallplatten gibt es bei In’t Veld im Dezember zu kaufen – für jeden Adventssonntag eine: „White Christmas“ von Bing Crosby ist dabei und „Oh du Fröhliche“ vom Bielefelder Kinderchor. Die hörbare Schokolade ist Wohlfarths Alternative zu den üblichen Schokoweihnachtsmännern. Die sind nicht ganz sein Fall: „Zu kitschig.“

Seit vier Jahren wird in den beiden In’t- Veld-Geschäften Prenzlauer Berg und Schöneberg Schokolade verkauft. Bisher wurden die meisten Sorten zwar nach eigenen Ideen und Rezepten, aber von einer italienischen Firma hergestellt, so auch die Schallplatten. Doch seit Anfang des Jahres ist Wohlfarth dort Chocolatier und macht jetzt gemeinsam mit Firmenchef Holger in’t Veld aus dem Laden eine Schokoladenmanufaktur. „Irgendwann wollen wir Schokolade von der Bohne an selbst herstellen.“

Die ersten Schritte dazu sind gemacht. Noch lernt der 28-Jährige ständig etwas über sein Handwerk hinzu. Zum Beispiel über die nagelneue „Schokoladen-Temperiermaschine“, das Herzstück der Manufaktur. 40 Kilo Schokolade kann sie verflüssigen, steht zwischen den Fenstern, durch die manchmal neugierige Passanten von der Raumerstraße aus in Wohlfarths Küche gucken. Und ihm zu sehen, wie er zum Beispiel rosa Pfeffer und Blaubeeren mit weißer Schokolade zusammenrührt oder Chili mit dunkler.

Als Bäckerlehrling hat Wohlfarth angefangen, Süßes herzustellen. Kleine Brötchen zu backen war ihm schnell zu langweilig und nicht kreativ genug. Deshalb hat er sich zum Konditor und Patissier ausbilden lassen, hat in Hotels und Restaurants Dessertbuffets mit Eisskulpturen, Torten und Pralinen ausgestattet. Sein Ehrgeiz treibt ihn zu Wettbewerben, für die er überdimensionale Ausstellungsstücke herstellt: 30 Kilo wog die Schokoladenskulptur, für die er seine letzte Medaille bekam. Die sagenhafte Germanin Kriemhild hat er schon aus Schokolade gegossen und einen riesigen Notenschlüssel. Doch das Gebilde brach auf dem Weg zum letzten Wettbewerb zusammen. Kein Grund aufzugeben: „Nächstes Mal komme ich unter die ersten drei.“

Von Schokolade bekommt er nicht genug, er probiert und nascht ständig. „Zum Glück nehme ich nicht zu. Das habe ich von meinem Vater geerbt.“

In’t Veld, Dunckerstraße 10, Prenzlauer Berg, Tel. 48 62 34 23; Winterfeldtstraße 45, Schöneberg, Tel. 23 62 32 56

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