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Berlin: „Ein tragischer Einzelfall“

Kontrolle für Kindeswohl soll strenger werden, Spandauer Baby wäre jedoch kaum zu retten gewesen

Von Sabine Beikler

Nach dem tragischen Tod des sieben Wochen alten Dennis in Spandau weist SPD-Landeschef Michael Müller Kritik zurück, die Behörden oder Senat hätten nachlässig gehandelt. Man könne nur so gut es geht die staatlichen Systeme verbessern und vernetzen, sagte Müller. „Trotzdem gibt es Einzelfälle, wo man doch nicht genau erkennen kann, was in einer Familie los ist, und dann passieren solche tragischen Dinge“, sagte Müller gestern im RBB-Inforadio. Wie berichtet, kam der Säugling offenbar durch Misshandlungen zu Tode. Die 22-jährige Mutter und der gleichaltrige Vater sitzen in Untersuchungshaft.

Nur ein paar Tage zuvor, am 17. Januar, hatte eine Sozialarbeiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes die Familie aufgesucht. Der Bezirksstadtrat für Soziales und Gesundheit, Martin Matz (SPD), sagte, dass es „keinerlei Hinweise auf eine Vernachlässigung“ gegeben habe und deshalb auch keine ärztliche Untersuchung beim Gesundheitsdienst angeordnet worden sei. Es habe auch keine „personelle Unterausstattung“ gegeben, sagte Matz. „Ich warne davor, aus einem Einzelfall schnelle Schlüsse zu ziehen“, sagte Matz.

Dennoch sieht die Opposition gravierende Lücken im 2007 eingeführten Netzwerk Kinderschutz, ein Frühwarnsystem, das die Kooperation zwischen den Behörden verbessern soll. Grünen-Politikerin Elfi Jantzen forderte eine „engmaschigere Betreuung“ von Müttern und Kindern durch Kinderkrankenschwestern des öffentlichen Gesundheitsdienstes. FDP-Politikerin Mieke Senftleben schlägt ehrenamtliche „Familienpatenschaften“ für hilfsbedürftige Familien vor. Die FDP will am 7. Februar im Bildungsausschuss über den Spandauer Fall sprechen.

Damit Kinder künftig besser vor Vernachlässigung und Misshandlung geschützt werden, plant Berlin wie andere Bundesländer verbindliche Einladungen zu Vorsorgeuntersuchungen. Über eine Zentralstelle sollen Eltern aufgefordert werden, die Untersuchungen wahrzunehmen. Datengrundlage dafür sind die Melderegister. Die Teilnahme an der Untersuchung soll der Kinderarzt der Zentralstelle melden. Wird die Untersuchung nicht wahrgenommen, erhalten die Eltern eine Mahnung. Falls sie darauf nicht reagieren, werden Gesundheits- oder Jugendämter eingeschaltet, die die Familie besuchen. „Diesen Besuch muss die Landesregierung sicherstellen“, sagte Grünen-Politikerin Jantzen. Bis Ende März will die Gesundheitsverwaltung ein Konzept vorlegen.

Das Abgeordnetenhaus lehnte am Donnerstag einen CDU-Antrag ab, wonach Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend werden. Die Jugendverwaltung betont, dass „ein Eingriff in das Elternrecht auf Erziehung rechtlich nicht durchsetzbar ist“, sagte Abteilungsleiter Wolfgang Peukert. In Bayern liegt ein Gesetzesentwurf im Landtag vor, der verbindliche Früherkennungsuntersuchungen vorsieht. Die Eltern müssen Nachweise vorlegen, wenn sie Anträge auf Landeserziehungsgeld stellen, bei der Kita-Anmeldung und der Schuleingangsuntersuchung. Dass dadurch nicht alle vernachlässigten Kinder entdeckt werden, ist dem bayerischen Sozialministerium klar. „Allerdings besuchen die meisten Kinder den Kindergarten“, sagte eine Sprecherin. In der Berliner Jugendverwaltung spricht man von einer „Pseudo-Veranstaltung“, da es keine Sanktionen für Eltern gebe, die keine Nachweise vorlegen. Sabine Beikler

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