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Berlin: Ein verzweifelter Schrei der Mutter von Sven kündigte das Ende der Hoffnung an

BERLIN .Gegen 11 Uhr kündigte der verzweifelte Schrei einer Frau das Ende der Hoffnung in der Lepsiusstraße an.

BERLIN .Gegen 11 Uhr kündigte der verzweifelte Schrei einer Frau das Ende der Hoffnung in der Lepsiusstraße an.Den Eltern von Sven wurde die schreckliche Nachricht zuerst überbracht: Ihr Sohn Sven, der unter den Trümmern des eingestürzten Hauses lag, war tot.Noch einmal wurde das Ehepaar, das die gesamt Zeit des Wartens an der Unglückstelle verharrt hatte, zu den Überresten des Hauses gebracht, damit sie Abschied von der Hoffnung nehmen konnten, ihr Kind lebend wieder zu sehen.

Zwar glichen die sonst so ruhigen Steglitzer Seitenstraßen am Nachmittag noch immer einem Biwak: Suppenküchen waren aufgefahren, in einem Lastwagen des THW stapelten sich palettenweise Seltersflaschen, doch wurden schon einige Fahrzeuge abgezogen.Immer seltener mußte der gigantische Kran große Gebäudeteile aus dem Trümmerhaufen fischen.Bagger kamen jetzt zum Einsatz, um den Schutt von der Straße abzutransportieren.Eine Baugrube an der Ecke Lepsius- und Herderstraße, an der ein Schild seit Monaten den Begin von Bauarbeiten zu einem neuen Wohnhaus verkündet, füllte sich mit dem abtransportierten Schutt, unter den Steinen liegen Zeitschriften, Waschbecken, ein blauer Klappstuhl.Was von den Habseligkeiten der Bewohner geborgen werden konnte, wurde vorher aussortiert und weggeschafft.

Die dem Unglückshaus gegenüberliegende Straßenecke lichtete sich ebenfalls.Heerscharen von Journalisten hatten sie mit leeren Pizzapackungen, Mineralwasserflaschen und leeren Filmdosen übersäht."Es war bedrückend", sprach eine Polizist seine Gefühle über die fieberhafte Suche nach dem Jungen in eine Fernsehkamera.Doch die Einsatzleitung besteht am Nachmittag darauf, daß die Hoffnung nicht aufgegeben sei, noch Verschüttete zu finden; weiterhin werde per Hand gesucht.

"Ein Kind ist immer etwas Besonderes - auch für die Retter und Helfer", gesteht der Einsatzleiter der Feuerwehr, Albrecht Broemme ein."Und wenn ein Kind ums Leben kommt, ist das für alle ganz besonders schrecklich - ohne daß es eine besondere Wertigkeit unter den Opfern gibt." Damit die Retter nach schlechten Nachrichten nicht in ein Motivationsloch fallen, bemüht sich die Einsatzleitung, sie nicht zu überfordern."Motivation bedeute auch, daß der Einsatz geordnet abläuft", sagt Broemme.Zwei bis drei Stunden nur sollen sie am Stück arbeiten.Auf Wunsch stehen Seelsorger bereit.Von der Feuerwehr ist auch das Einsatz-Nachsorge-Team am Unglücksort.

Fragt man die Helfer, so bekommt man tatsächlich die einhellige Antwort, daß man die Hoffnung nicht aufgeben dürfe."Bis auf den allerletzten Stein", heißt es beim THW, werde man die Trümmer abtragen, um nach Verschütteten zu suchen."Eher aufgeben? Das macht keiner", sagt ein Mann."Da liegen noch mehr Menschen außer dem Jungen", heißt es aus einer Gruppe von Polizisten, die sich auf einem nahegelegenen Schulhof von ihrem Einsatz erholen, während ihre Kollegen auf den nächsten warten.In Dreierreihen und mehr oder weniger geordnetem Gleichschritt marschieren periodisch Gruppen von 24 Beamten zum Unglücksort, vorbei an den bellenden Hunden der Staffeln.Schon in der Nacht zum Mittwoch konnte ein Hund durch eine Bohrung vom Nachbarhaus in der Zimmermannstraße in den verschütteten Keller gelassen werden.Er schlug auch an und signalisierte damit, daß dort ein Mensch zu finden war.Doch war diese Hoffnung mit einer makabren Tragik verbunden: Die Biosensoren, die zuvor Leben geortet hatten, können nicht zwischen Mensch und Tier unterscheiden; die Hunde widerum können zwar Menschen orten, aber nicht zwischen Leben und Tod unterscheiden.Ein Hund und eine Katze wurden gestern noch lebend geborgen."Tragik ist das, was man daraus macht", sagt jedoch Andreas Grigowski, Leiter der Hundestaffeln des Roten Kreuzes.Vielleicht seien zu früh zu große Hoffnungen geweckt worden.Man müsse wohl auch einmal eine wage Information zurückhalten, bis sich eine Bestätigung ergibt.

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