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Berlin: Eine anziehende Stadt

Die deutsche Hauptstadt wächst, weil so viele Ausländer zuwandern. Die meisten kommen aus Europa, allen voran die Polen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin ist wieder eine wachsende Stadt. Aber nur deshalb, weil so viele Menschen aus fremden Ländern in die deutsche Hauptstadt ziehen. Um das zu bewältigen, ist praktische Unterstützung wahrscheinlich wichtiger als politische Sonntagsreden zur Integration und Toleranz. Seit Juli 2005 gibt es zum Beispiel das „Welcome Package“ des Senats, das kostenlos an ausländische Neubürger verteilt wird. Eine erste Orientierungshilfe in sieben Sprachen „über Leben und Arbeiten in Berlin“.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat in diesem Jahr mit speziellen Informationsveranstaltungen für ausländische Klein- und mittelständische Unternehmer begonnen. Der erste Kurs für Türken fand großen Zuspruch. Im nächsten Jahr wird die IHK polnische Selbstständige einladen, die in Berlin ihren Geschäften nachgehen. Die Polen sind Spitzenreiter unter den Zuwanderern. Im vergangenen Jahr kamen 9315 polnische Staatsangehörige nach Berlin. An zweiter Stelle der amtlichen Zuwanderungsstatistik stehen die Türken (2614), gefolgt von US-Amerikanern (1582), Franzosen (1393), Russen (1213), Italienern (1136) und Spaniern (842).

Von den 42 592 Ausländern, die 2005 ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegten (Zahlen für 2006 gibt es noch nicht), kamen die Hälfte aus Staaten der Europäischen Union. Aus Asien wanderten knapp 6000 Menschen zu; Vietnam und Japan führen diese Gruppe an. Über 4000 Neu-Berliner kamen aus Nord- und Südamerika, Schlusslicht ist Afrika mit etwa 1600 Zuwanderern. Es sind also nicht, jedenfalls nicht mehr, Wirtschaftsflüchtlinge und politisch Verfolgte aus armen Ländern, die den Zustrom von Ausländern nach Berlin prägen. Selbst aus Australien wanderten deutlich mehr Menschen zu als beispielsweise aus Ghana oder Pakistan.

Eine hohe Arbeitslosigkeit nichtdeutscher Bürger, mangelnde Ausbildung, soziale Probleme und Ghettoisierung sind die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite zählt die IHK unter ihren Mitgliedern 28 000 Berliner Firmen, die einen ausländischen Inhaber oder Geschäftsführer haben. Davon stammen 6600 aus der Türkei und 2970 aus Polen. Eingebürgerte Unternehmer nicht eingerechnet. Und jeder dritte Berliner Künstler, schätzt der Berufsverband BBK, hat einen ausländischen Pass.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Lage erkennbar verändert. So wanderten 1995 noch 6430 Türken zu, 2005 waren es lediglich 2771. Zieht man diejenigen ab, die Berlin verließen, wuchs die türkische Gemeinde in Berlin 2005 nur noch um 588 Menschen. Damals wurde die Zuwanderung auch durch tausende Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und durch ebenso viele Russen, Ukrainer und Kasachen geprägt, die nach Berlin kamen.

„Internationalität lässt sich nicht politisch verordnen. Es ist einfach so, dass Berlin außerhalb Deutschlands extrem beliebt und attraktiv ist“, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer. Die Hauptstadtrolle habe dieser Entwicklung noch einen ordentlichen Schub gegeben. Die Zahlen bestätigen diese Einschätzung: 2005 kamen 17 741 mehr Menschen nach Berlin als weggezogen sind. Der Wanderungszuwachs verteilt sich so: 16 422 Ausländer, 1052 aus den ostdeutschen Bundesländern und 267 Westdeutsche.

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