zum Hauptinhalt

Berlin: Eine Diva auf der Imbisstheke

Die Currywurst ist die Diva unter den Würsten - so scharf und verführerisch in ihrem knallroten Kleid und umgeben von einem Mysterium. Denn welche Gewürze Herta Heuwer, die Berliner Erfinderin der Curry-Sauce, wählte, weiß bis heute niemand.

Die Currywurst ist die Diva unter den Würsten - so scharf und verführerisch in ihrem knallroten Kleid und umgeben von einem Mysterium. Denn welche Gewürze Herta Heuwer, die Berliner Erfinderin der Curry-Sauce, wählte, weiß bis heute niemand. Als sie am 3. Juli 1999 86-jährig starb, nahm sie ihr Geheimnis mit ins Grab. Ihre Wurst aber lebt – und mit ihr zig Varianten der kultigen Tunke.

Doch entkleidet man die Diva, sprich: schiebt sie ohne Sauce über den Imbisstresen, dann bleibt ein ganz normales – Brühwürstchen. So definiert es das amtliche Lebensmittelbuch. Und das bestimmt auch, was drin sein darf im liebsten Fast-Food des Berliners: Rind- und Schweinefleisch, Fettgewebe, Kochsalz und Wasser in Form von Eis, das dafür sorgt, dass sich der Fleischbrei im Mixer nicht zu sehr erhitzt und die Wurst schlabbrig wird. Innereien werden nicht verarbeitet. Schließlich noch Gewürze und ein Schuss Ascorbinsäure zur Konservierung. Die Frage, ob „mit“ oder „ohne“ – Darm nämlich –, die die Genießergemeinde in zwei Lager teilt, ist nicht geregelt. Geschmacksache eben.

Prosaisch und ganz ohne Respekt reden auch die Ernährungswissenschaftler über das Buden-Mundstück für den schnellen Esser: Zu viel Kalorien habe das Ganze und sei deshalb gar nicht gut für den Großstadtmenschen. Bis zu 30 Prozent Fett stecken in der Currywurst (zum Vergleich: In einem Hamburger sind es nur knapp neun Prozent). „Steinzeitmenschen hätten sich nach so einem nahrhaften Ding die Finger geleckt“, sagt Jörg Häseler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. In unserer zivilisierten Welt aber sind die Würste täglich verfügbar. Doch wer an jedem Tag eine Currywurst vertilgt, tut sich damit keinen Gefallen, mosern die Ernährungsforscher: zu wenig Ballaststoffe, zu wenig Vitamine, zu wenig Mineralien. Aber immerhin fanden die Lebensmittelchemiker viel Vitamin „B 12“ in der Currywurst, übrigens wie in jedem Fleischprodukt. „B 12“ ist wichtig für die Blutbildung und für das Nervensystem.

Doch wissenschaftliche Mäkelei kann der Wurst nichts anhaben. Die Diva braucht sich nicht zu rechtfertigen. Vernascht will sie werden. Ingo Bach

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false