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Berlin: Eine Faltencreme für die alte SPD

Der Landesvorstand der Berliner Sozialdemokraten berät über eine Parteireform und ist erschrocken über den Mitgliederschwund

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD will sich verändern. „Der Erneuerungsbedarf ist seit den neunziger Jahren immer größer geworden“, steht in einem Papier zur Parteireform, dass der Landesvorstand der Sozialdemokraten am Montagabend diskutierte. Künftige politische Erfolge seien davon abhängig, „ob es gelingt, die geringer werdenden personellen und finanziellen Ressourcen besser einzusetzen“.

Besonderes Kopfzerbrechen macht der Hauptstadt-SPD die kräftig sinkende Mitgliederzahl. Die Situation sei so schwierig, dass „kein weiteres Zögern“ erlaubt sei, wird in dem 26-seitigen Konzept der Reformkommission gefordert. In den letzten Jahren habe der Mitgliederrückgang noch an Dynamik gewonnen; er stehe in krassem Gegensatz zu den politischen Erfolgen der Berliner SPD. 2002 verlor der Landesverband etwa 1000 Mitglieder; in diesem Jahr weitere 630. Bereits jetzt ist jeder dritte Genosse 60 Jahre und älter. Weniger als zehn Prozent der Mitgliedschaft sind 30 Jahre und jünger. Dass die SPD weiter schrumpfe, werde in den nächsten Jahren „zunehmend aus dem Mitgliedersterben zu erklären sein“.

Bis 2010 rechnet der SPD-Landesvorstand damit, dass die Zahl der Mitglieder (zurzeit 18 300) um 30 Prozent zurückgeht. Weniger Parteimitglieder heißt auch: weniger Einnahmen aus Beiträgen. Schon jetzt übersteigen die Ausgaben für Personal und Verwaltung der Berliner SPD die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen und „Strukturhilfe“ der Bundespartei bei weitem. Auch das altersbedingte Ausscheiden hauptamtlichen Personals werde an diesem Missverhältnis in den nächsten Jahren nichts ändern.

Die Reformkommission ist der Meinung, dass sich der Mitgliederschwund auch organisatorisch auswirken müsse. Abteilungen (SPD-Ortsverbände) sollten zusammengelegt werden. Und zwar nach der Faustregel: „In jedem Abgeordnetenhauswahlkreis eine Abteilung.“ Außerdem sollte das Wohnortprinzip aufgelockert werden, das an den Interessen vieler Mitglieder vorbeigehe. „So könnte die Mitarbeit in einer Art Abteilung angeboten werden, die nicht an den Wohnort, sondern an ein Thema gebunden ist.“

Diskutiert wurde im SPD-Vorstand gestern auch, wie die Partei ihr politisches Profil schärfen kann. Auch gegenüber der eigenen Regierung. „Den tagespolitischen Verlautbarungen aus dem Senat muss der SPD-Landesverband Aussagen zur Seite stellen, die nicht an juristischen, verwaltungstechnischen oder haushälterischen Kriterien orientiert sind, sondern sozialdemokratische Wertvorstellungen transportieren.“ Es müsse möglich sein, als „Anwältin der Bürgerinnen und Bürger“ Stellung zu laufenden Projekten der Landesregierung zu nehmen, „ohne dass daraus ein Widerspruch zwischen Partei und Regierung konstruiert werden kann.“

In einem Punkt erlitten die SPD-Reformer schon im Vorhinein Schiffbruch. Sie diskutierten mehr als ein Jahr über die Einführung einer Landesliste für die Abgeordnetenhauswahlen. Bisher nominierten die Sozialdemokraten ihre Kandidaten im Kiez. Also in den Kreisverbänden. Im Papier, das der Parteispitze gestern vorgelegt wurde, ist resignierend vermerkt: „Der Arbeitsgruppe ist es nicht gelungen, ein Modell (für eine Landesliste) zu entwickeln“, das allen gerecht werde. Der Vorschlag sei deshalb in der Kommission mehrheitlich abgelehnt worden. SPD-Landeschef Peter Strieder will sich trotzdem weiter für die Landesliste engagieren. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller meinte sogar: „Wir sollten darüber in der Partei einfach mal abstimmen lassen.“ Notwendig wäre aber eine Zweidrittelmehrheit auf dem Parteitag.

Weitere Vorschläge im Reformkonzept befassen sich mit der besseren innerparteilichen Kommunikation und mit der spannenden Frage, wie „die Vermittlung von Inhalten und Zielen“ nicht nur über die öffentlichen Medien, sondern im direkten Kontakt mit den Bürgern erfolgen kann. „Die Kampagnenfähigkeit der SPD“ zeige sich traditionell ausschließlich in Wahlkämpfen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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