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Berlin: Eine Frage für Rechenkünstler

Nach dem Streit um Ausgleichsmandate: Parteien überlegen, ob es für die Abgeordnetenhauswahl nur noch Landeslisten geben soll

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Bei den Sozialdemokraten und in der Linkspartei/PDS gibt es Überlegungen, dass die Parteien bei künftigen Abgeordnetenhauswahlen nur noch mit einer Landesliste antreten dürfen. Die Alternative dazu, Bezirkslisten aufzustellen, könnte durch eine Änderung des Landeswahlgesetzes ausgeschlossen werden. Für diese Idee gibt es auch in der FDP-Führung Sympathien. Der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann ist ebenfalls ein Verfechter der Landesliste.

Es wäre auch möglich, die landesweite Aufstellung der Kandidaten in den Satzungen der Parteien festzuschreiben. Aber dazu konnten sich SPD, CDU und FDP, die bei jeder Berliner Wahl mit Bezirkslisten antreten, bisher nicht durchringen. In der SPD wurde zuletzt 2003, in der CDU 2005 erfolglos darüber diskutiert. Ein Antrag zur Änderung der FDP-Satzung scheiterte vor einem Jahr auf einem Landesparteitag. Jetzt bestünde die Chance, den Verzicht auf Bezirkslisten durch eine Wahlrechtsänderung in der neuen SPD/PDS-Koalitionsvereinbarung festzuschreiben.

Der aktuelle Streit um die richtige Verteilung der Parlamentssitze könnte die Diskussion befördern. Der Landeswahlausschuss hatte am Donnerstag gegen das Votum des Wahlleiters Andreas Schmidt von Puskás beschlossen, zwei sogenannte Ausgleichsmandate anders zu verteilen. Je ein Sitz in Charlottenburg-Wilmersdorf (für die CDU) und Steglitz-Zehlendorf (für die FDP) fiel weg, zugunsten der Bezirkslisten Marzahn-Hellersdorf (CDU) und Tempelhof-Schöneberg (FDP).

Den wahlberechtigten Bürgern, die sich nicht professionell mit Wahlsystemen und Verteilungsmathematik befassen, ist das kaum zu erklären. „Es kann eigentlich nicht sein, dass man sich nach einer Wahl die schönsten Rosinen herauspickt“, kritisierte von Puskás die Entscheidung des Landeswahlausschusses. „Wir brauchen Verteilregeln, die für alles taugen und keine Schüttelrechnung, die einzelnen Kandidaten nützt.“ Den neuen Ärger gebe es nicht, hätten SPD, CDU und FDP – wie die anderen Parteien – zur Wahl am 17. September Landeslisten erstellt. In diesem Fall wären selbst bei der SPD, die 40 von 78 Wahlkreisen gewonnen hat, keine Überhangmandate entstanden. Denn auf Landesebene gleichen sich regionale Unterschiede der Wählersympathien meistens wieder aus.

Aber wenn eine Partei mit Bezirkslisten antritt, häufen sich dort, wo sie überdurchschnittlich viele Wahlkreise (Direktmandate) gewinnt, fast automatisch „überzählige“ Mandate an. Bei der SPD waren es dieses Mal sieben, bei der CDU ein Überhangmandat, die den Parteien nicht weggenommen werden dürfen. Trotzdem muss sich im Landesparlament das Wahlergebnis in der Sitzzahl für jede Partei korrekt widerspiegeln, deshalb werden zusätzlich Ausgleichsmandate verteilt. Drei Rechenverfahren stehen bundesweit für die Mandatsverteilung zur Verfügung: D’Hondt, Hare-Niemeyer und Sainte-Lague. In Berlin wird nach Niemeyer verteilt. Dabei werden Quoten gebildet und im Extremfall entscheidet die vierte Stelle nach dem Komma über ein Mandat. Von Puskás spricht vom „Zahlenschicksal, wie die Reste fallen“. Am Ende gibt es noch Varianten, wie die Ausgleichsmandate den einzelnen Bezirkslisten zuzuteilen sind. Über die richtige Variante muss demnächst vielleicht das Landesverfasungsgericht entscheiden.

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