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Berlin: Eine kalkulierte Niederlage

Warum die PDS insgeheim das Nein für Studienkonten erwartete

Von Sabine Beikler

Zwei Tage nach dem Votum der Parteitagsdelegierten gegen Studienkonten hält die PDS den Ball flach. Alles halb so wild, gibt die Parteispitze die Parole aus: Nach Ostern wird mit der SPD darüber gesprochen, wie es weitergehen soll. Und dass der angeschlagene Wissenschaftssenator Thomas Flierl auch noch von seiner Basis eine schallende Ohrfeige bekommen hat, das stört ernsthaft keinen Genossen. Insgeheim hatte die PDS-Spitze so eine Niederlage einkalkuliert.

Die Beschädigung der „Person“ Flierl war für viele in der PDS das kleinere Übel, denn unbeschadet wäre die Partei aus der Entscheidung ohnehin nicht gekommen. PDS-Politiker Steffen Zillich sprach von einer Wahl zwischen Pest und Cholera. Pest, das seien die Konten mit der Gebührenkomponente, und die Cholera stünde für das Ansehen von Flierl, sollte er seinen eigenen Vorschlag in der Partei nicht durchsetzen können. Die PDS entschied sich für die Cholera.

In der Koalition muteten Fraktion und die drei PDS-Senatoren den Genossen bisher viele „soziale Grausamkeiten“ zu, wie das einmal Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner bezeichnete: die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit, steigende Wasserpreise, Erhöhung der Kitagebühren oder Kürzung des Blindengeldes. Zwar steht die PDS-Basis mit großer Mehrheit hinter Rot-Rot, doch das Grummeln wurde immer lauter. „Irgendwie musste jetzt die Luft raus“, sagt ein PDS-Abgeordneter. Die Studienkonten als „Luftablasser“ haben sich dafür geradezu ideal angeboten. Erstens: Die umstrittene und komplizierte Gebührenkomponente im Flierl-Modell haben viele Sozialisten gar nicht nachvollziehen können. Zweitens: Ob die Gebühren tatsächlich die zehn Millionen Euro gebracht hätten, vermochte selbst Flierl nicht sicher sagen. Und mit dem haushaltspolitischen Argument, dass ein Nein zu den Konten das „Klagerisiko“ Berlins in Karlsruhe erhöhen könnte, konnte PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf die emotionalisierte Partei nicht überzeugen.

Drittens: Die Parteispitze konnte für ein Modell, das zunächst nur als Verhandlungsgrundlage mit der SPD gedacht ist, nicht offensiv werben, erreichte noch nicht einmal einen gemeinsamen Nenner und zog sich auf die Argumentationsschiene zurück: Besser Studienkonten jetzt als Gebühren später, zumal das Bundesverfassungsgericht im Herbst das Gebührenverbot vermutlich aufhebt. Und viertens: Im Mai steht der nächste PDS-Parteitag an. Dann will die Parteispitze ihre Basis von einer positiven rot-roten Halbzeitbilanz überzeugen. Das geht erheblich einfacher, wenn die Luft schon ein wenig raus ist.

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