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Berlin: Eine neue Chance für die Liebe

Am Sonnabend ist wieder Loveparade – die erste seit drei Jahren. Was überrascht: Im Vorfeld gibt es diesmal gar keinen Ärger

Vier Tage noch, dann startet im Tiergarten die wiederbelebte Loveparade. Anders als in den Jahren zuvor kommt sie diesmal ziemlich lautlos auf die Stadt zu. Das liegt vor allem an den neuen Chefs. Rainer Schaller und Maurice Maué haben nicht nur das Konzept des Spektakels entstaubt, sie haben auch die Konflikte um die Parade entschärft; so gründlich, dass es keinen Streit im Vorfeld gibt.

Saubermachen im Park nach der Parade? Kein Thema, sagen die beiden: „Wer im fremden Wohnzimmer feiert, muss auch aufräumen“, so Schaller. Die Kosten dafür tragen sie selbst. Die Loveparade verlässt Berlin, wenn die Stadt nicht spurt? Wieder Schaller: „Quatsch, die Parade gehört zu Berlin.“ Teilnahmegebühren für die Clubs mit ihren Techno-Trucks (den so genannten Floats)? Gibt’s nicht mehr: „Dadurch ist die Loveparade wieder zur Plattform für die Szene geworden“, erklärt Maué. Vor allem der Teile, die zwar innovativ, aber nicht so finanzstark sind, dass sie sich fette Startgebühren leisten könnten.

Schaller und Maué machen sogar noch mehr: Sie stellen die Sattelschlepper den Clubs unentgeltlich zur Verfügung. So etwas gab’s in der Geschichte der Loveparade noch nie. Im Gegenteil. Die letzten Liebesumzüge unter der Regie von Ideengeber Matthias Roeingh alias Doktor Motte, Organisator Ralf Regitz und Paraden-Geschäftsführer Fabian Lenz litten unter Geldmangel. Sponsoren hatten das Interesse verloren, sprangen zuletzt reihenweise ab. Der Status als politische Demonstration, der den Veranstaltern über Jahre viel Geld sparte, weil der Steuerzahler das Saubermachen nach dem Riesenrave bezahlte, war unwiderruflich weg, und damit waren Kosten da, die die Loveparade nie erwirtschaften konnte.

Das ist heute immer noch so. „Eine Loveparade ist nicht kostendeckend zu veranstalten“, sagt Schaller. Die Zeiten des Geldverdienens seien vorbei. Es werden keine Techno-Compilations in Millionenauflage mehr verkauft, deren Erlöse der Organisation der Parade zufließen. Und Sponsoren stehen nicht mehr Schlange, um sechsstellige Summen hineinzupumpen. Trotzdem sitzen Schaller und Maué ganz entspannt auf ihrem Sofa in dem großzügigen Büro am Tempelhofer Ufer und sagen: „Aber die Loveparade lohnt sich trotzdem.“ Sie sind so entspannt, weil Rainer Schaller Mitorganisator und Hauptsponsor in Personalunion ist. Als Chef der Sportstudiokette McFit steckt der gelernte Kaufmann als erste Finanzspritze eine Million Euro in die Parade. „Das ist mehr als das Dreifache, das Hauptsponsoren früher bezahlt hätten“, sagt er. Das Budget der Loveparade beziffern die beiden jedoch auf „mindestens 2,5 Millionen, vielleicht mehr“, Geld, das nur zum Teil durch weitere Sponsoren wieder hereinkommt. „Die reagieren noch zurückhaltend“, sagt Schaller. Damit die Parade aber nach dem Umzug nicht ausgetanzt hat, will er Geld nachschießen, zur Not noch einige Hunderttausend. „McFit hat eine gut gefüllte Kriegskasse.“

Eine Kasse, die einerseits nötig sei, um sich auf dem immer enger werdenden Markt der Sportstudios zu behaupten. Und andererseits, um die geplante Expansion in die europäischen Nachbarländer vorzubereiten. Genau dabei soll die Loveparade helfen. Die Fernsehsender RTL 2 und Viva werden studenlang berichten. „Wenn ich das in klassische Werbung investieren würde“, sagt Schaller, „müsste ich viel mehr bezahlen.“ Trotzdem will er aus dem Spektakel keine Werbeveranstaltung machen. Für die Parade sind die beiden, so scheint es, ein Glücksfall. Und für die Behörden auch. Nicht einmal mehr im sonst den Paraden-Organisatoren skeptisch bis zurückhaltend gegenüberstehenden Bezirksamt Mitte sind noch nörgelnde Töne zu hören. „Das machen die beiden ganz ordentlich“, sagt Mittes Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne). Wer sie kennt, der weiß: Hinter diesen zurückhaltenden Worten steckt fast schon ein Ritterschlag.

Ob’s ein richtiger wird, muss der Sonnabend zeigen. Kommen die erwarteten mehreren hunderttausend Besucher? Nimmt die scheue Szene der elektronischen Musik das geänderte Konzept der beiden an? Werden die Raver Doktor Motte vermissen, der sich mit den beiden Neuen überworfen hat? Schaller und Maué warten ab. Sie scheinen sich ihrer Sache jedoch recht sicher zu sein. Sie haben die Firma Lopaevent gegründet, die 2007 die alte Planetcom beerben soll, die in diesem Jahr noch einen Exklusivvertrag mit dem Senat über die Veranstaltung der Loveparade hat. Mit der Planetcom verabschiedet sich dann ein weiteres Urgestein nach Doktor Motte: Ralf Regitz, Mehrheitsgesellschafter der Planetcom und lange Jahre Cheforganisator der Parade, wird dann nichts mehr mit der Loveparade zu tun haben.

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