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Berlin: Eine Pracht, diese Tracht

Chorsängerin Hong Za Dörge fördert die koreanische Kultur in Berlin

Ende der 60er Jahre war der Auftritt eines koreanischen Pianisten in Berlin noch eine Seltenheit. Für Albin Dörge, den langjährigen Violinisten im Orchester der Deutschen Oper, also eine Chance auf einen außergewöhnlichen Musikgenuss. Dass mehr daraus wurde, war seiner Empfindsamkeit zu danken. Er sah Hong Za Choe, eine Krankenschwester, die erst kurz zuvor aus Seoul nach Berlin gekommen war, einsam und allein in der letzten Reihe im Konzertsaal der Hochschule der Künste sitzen. In der Pause bat er sie nach vorn, wo er selber saß, wo auch noch andere Koreanerinnen saßen.

Ein Jahr später waren sie verheiratet.

Hong Za Dörge ist eine Persönlichkeit, die heute aus der Berliner Musikszene nicht wegzudenken ist. Seit vielen Jahren engagiert sie sich dafür, dass koreanische Musiker auch abseits der Kulturprogramme der Botschaft eine Chance bekommen, in Berlin aufzutreten. Gerade jetzt wirbt sie für einen festen Auftrittsort, der auch dem von ihr gegründeten Chor eine Heimstatt bieten könnte.

Heimweh ist ein Problem unter den koreanischen Frauen, die als Krankenschwester nach Deutschland gekommen sind und sich hier verheiratet haben. Viele ziehen im Rentenalter zurück nach Korea. Dort gibt es ein eigenes kleines Dorf für die Rückkehrerinnen. Für diejenigen, die hierbleiben, würde Hong Za Dörge gern ein deutsch-koreanisches Kulturzentrum aufbauen. Es soll unabhängig von der Botschaft nach Art eines Nachbarschaftshauses offen sein für alle, die in der Tradition ihrer Heimat zusammen musizieren oder kochen oder malen oder auch nur reden wollen. Ein Ort gegen das Heimweh soll es werden. Auch die Angehörigen sollen sich dort zu Hause fühlen. Aus Erfahrung weiß sie, dass nicht alle koreanischen Künstler, die gern in Deutschland auftreten möchten, über die Botschaft die Möglichkeit dazu erhalten. Einigen hat sie schon mit eigenen Mitteln geholfen und Auftrittsorte vermittelt. Auch das Zentrum, das sie plant, könnte ein solcher Ort sein. „Mir ging es immer darum, Brücken zu schlagen zwischen deutscher und koreanischer Musik“, sagt sie, die 16 Jahre lang im Chor der Deutschen Oper mitgesungen hat.

Schon kurz nach dem Fall der Mauer organisierte sie ein Tanzfestival in Ost-Berlin. „Darauf werde ich heute noch angesprochen.“ Meilensteine ihres Wirkens waren Konzerte im Haus der Kulturen der Welt oder in Rathäusern. Am 28. Juni tritt die Gruppe Sage im Otto-Braun-Saal auf, am 26. Juni im Rathaus Steglitz, vier Frauen, die Gayagum spielen, eine Art Zither in Übergröße.

„Am 26. Juni?“, fragt Albin Dörge. „Das ist doch unser Hochzeitstag!“ „Dass du an so etwas noch denkst“, wundert sich Hong Za Dörge nach 43 Ehejahren und lächelt ihren Mann an. Der heute 82-Jährige hat seit 1958 im Orchester der Deutschen Oper gespielt, erst mit 70 hörte er auf. Seitdem findet er endlich auch Zeit, seine Frau öfter mal am Klavier zu begleiten. Ob sie eine schöne Stimme hat? „Oh, ja“, sagt er. „Einen Sopran“. Welche Lieder sie selber mag? „Die Forelle“, fällt ihr ein, „Am Brunnen vor dem Tore.“ Und „Auf Flügeln des Gesanges“, ergänzt ihr Mann.

Da nickt sie lächelnd und zupft an ihrer Schleife. Für das Foto hat sie eigens eine lange, bestickte koreanische Tracht angezogen. Vor zwei Jahren hat sie den deutsch-koreanischen Chor gegründet. Der soll auch mal in Korea auftreten. Das Repertoire ist breit. Koreanische Klagelieder kommen darin auch vor. Die sind viele hundert Jahre alt, handeln von Hunger und Elend, von der Armut der Familien, und vielen Koreanern laufen die Tränen aus den Augen, wenn sie die hören.

Auch die Kinder der Familie Dörge sind musikalisch, der Sohn spielt Violine. Auf ihre Tochter Caroline Dörge Alassio ist sie besonders stolz. Die Pianistin hat eine Solo-CD herausgebracht, spielt Werke von Bach, Chopin und Liszt. Zwei Jahre nach der denkwürdigen Begegnung von Albin und Hong Za Dörge im Konzertsaal der HdK ist sie zur Welt gekommen. Elisabeth Binder

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