zum Hauptinhalt

Berlin: Eine Vorzeigefrau gibt auf - Ilona Scholz, einzige Frau an der Spitze einer Mordkommission, wechselt die Aufgabe

Einst galt sie in der ganzen Bundesrepublik als Vorzeigefrau. Ilona Scholz war ein Jahrzehnt lang die einzige Frau in Deutschland, die eine Mordkommission leitete.

Einst galt sie in der ganzen Bundesrepublik als Vorzeigefrau. Ilona Scholz war ein Jahrzehnt lang die einzige Frau in Deutschland, die eine Mordkommission leitete. Jetzt hat sie ihren Job geschmissen. Seit heute arbeitet sie beim Staatsschutz. Freiwillig sei sie nicht gegangen, heißt es aus der Keithstraße 30 in Schöneberg, wo die Mordinspektion mit ihren insgesamt neun Kommissionen angesiedelt ist. Interne Querelen und Meinungsverschiedenheiten, an der die 42-Jährige nicht unschuldig sei, bildeten den Hintergrund dafür, dass die Kriminalbeamtin ihren Aufgabenbereich wechselt. Andere sagen, dass die Belastung, die eine Mordkommission mit sich bringt, auch die Kräfte des Stärksten auf Dauer auszehrt.

Dabei ließ sich in der Wendezeit 1990 alles so gut an. Zu den sechs bestehenden Mordkommission wurden wegen der steigenden Zahlen an Gewalttaten zwei neue gegründet. Die "Achte" übernahm die damals 32 Jahre alte Ilona Scholz. Sie kam von der "Sitte" - die für Sexualdelikte zuständige Dienststelle sitzt im selben Haus - und trat gleich zu Beginn mit zwei, drei aufsehenerregenden Fällen in die Öffentlichkeit.

Ilona Scholz ist ein Workaholic. Vielleicht musste sie das auch werden in einem ausschließlich von Männern beherrschten Bereich, in der noch heute Frauen selbst in Sachbearbeiter-Positionen rar sind. Als sie begann, wurden sie und ihre Arbeitsweise noch misstrauisch von den Kollegen beäugt. Lange gab man ihr nicht, ein halbes Jahr traute man der "Braut von M 3" zu, dann würde sie das Handtuch werfen, munkelten die Kollegen. Weit gefehlt. Ilona Scholz stand ihre Frau.

Gleich einer der ersten Fälle war eine Herausforderung: der Doppelmord an zwei 15 und 16 Jahre alten Mädchen. Am Tatort wurde ein Fahrzeugteil gefunden, Ilona Scholz ließ alle 6 000 Autos dieses Typs in Berlin überprüfen - und wurde fündig. Der Täter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Zwei Jahre später überführte sie eine 21-jährige Mutter, die ihr drei Monate altes Baby in der Wuhle ertränkt hatte. Aufsehen erregte dieser Fall besonders, weil die Frau zunächst überzeugend behauptete, drei Skins hätten ihr den Kinderwagen samt Säugling entrissen und das Kind entführt. In einem neunstündigen Verhör gestand die junge Mutter schließlich, Kind und Wagen selbst in den Fluss gekippt zu haben.

Es waren diese spektakulären Fälle und die raschen Aufklärungserfolge, die den Nimbus von Ilona Scholz in der Öffentlichkeit begründeten. Ihre männlichen Kollegen verwiesen immer darauf, dass den Erfolgen normale kriminalistische Arbeit zugrunde lag: "Jeder andere, ob Mann oder Frau, hätte es gleichfalls schaffen können", wurde immer wieder betont. Aber auch die Truppe um Ilona Scholz musste mit Fehlschlägen klarkommen. Wie die Nachbarkommissionen konnte auch sie keine 100-prozentige Aufklärungsquote vorweisen.

Der Fall eines zwölfjährigen vietnamesischen Mädchens, dem die Kehle durchschnitten wurde, ist nach wie vor ungeklärt. Als Ilona Scholz mit ihrer Mordkommission am Tatort eintraf, lag das Tagebuch des Kindes noch aufgeschlagen auf dem Tisch. Die letzten Eintragungen stammten vom Tag seiner Ermordung.

Manchmal wird ein Mord durch Zufall nach Jahren doch noch geklärt. Sollte dies auf den Fall des vietnamesischen Mädchens zutreffen, dann wird Ilona Scholz davon aus der Zeitung erfahren. Ihre Aufgabe beim Staatsschutz am Platz der Luftbrücke wird es künftig sein, sich mit extremistischen Straftaten zu beschäftigen. Eine Aufgabe, die sie sich selbst ausgesucht hat.

Zur Startseite