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Berlin: Eine zentrale Apotheke für Gefängnisse

Nach Skandal will Senat Arzneivergabe neu regeln

Von Sabine Beikler

Das Fazit der Untersuchungsgruppe zum Medikamentenskandal in der Justizvollzugsanstalt Moabit ist vernichtend: „So ein Organisationschaos und Ignoranz bei den Verantwortlichen habe ich noch nicht erlebt“, sagte am Montag Werner Heinrichs, Abteilungsleiter beim Landesrechnungshof in Brandenburg und Leiter der Untersuchungsgruppe, bei der Vorstellung des Abschlussberichts. Nach Bekanntwerden des Skandals setzte Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) vor zwei Monaten dieses Gremium ein. Als erste Konsequenz kündigte die Justizsenatorin die Neuorganisation der Medikamentenvergabe für alle Haftanstalten an. „Im neuen Haftkrankenhaus wird eine Zentralapotheke die Versorgung für alle Gefängnisse übernehmen“, sagte sie.

Bisher werden die Haftanstalten durch externe Apotheken beliefert, mit denen wie im Fall des Moabiter Gefängnisses Versorgungsverträge abgeschlossen worden waren. „Eine öffentliche Ausschreibung fehlte“, monierte Heinrichs. Medikamente wurden über Arztgeschäftsstellen in den Haftanstalten geordert. Doch seien diese Vordrucke zum Teil „nicht regelmäßig“ von zuständigen Ärzten unterzeichnet worden. „Jeder konnte alles bestellen. Es gab eklatante Missstände“, sagte von der Aue. Selbst bei Bestellungen ohne Unterschriften sei mitunter geliefert worden. Die Apotheken hätten ihr Verhalten mit dem Argument der „kundenfreundlichen Dienstleistung“ verteidigt. Inwieweit der Moabiter Anstaltsleiter Wolfgang Fixson oder der zuständige Leiter Strafvollzug in der Justizverwaltung über diese Missstände informiert wurden, „wird noch geklärt“, sagte von der Aue. Sie schloss personelle Konsequenzen nicht aus. Wie berichtet, entließ die Senatorin Anfang Februar nach Bekanntwerden des Skandals ihren Staatssekretär Christoph Flügge. Dem Vernehmen nach wurde sie von ihrer Verwaltung nicht umfassend informiert.

Den finanziellen Schaden des Skandals konnte die Untersuchungsgruppe nicht beziffern. Bestellungen und Rechnungen seien nicht oder nur unvollständig dokumentiert worden, sagte Heinrichs. Warum aber niemandem in der Justizverwaltung aufgefallen ist, dass die im Haushalt eingestellten Mittel für medizinische Verbrauchsmittel zwischen 2001 und 2005 regelmäßig um rund 200 000 Euro über dem Ansatz lagen, ist noch nicht geklärt. So wurden zum Beispiel im Jahr 2003 statt geplanter 1,6 Millionen Euro rund 1,8 Millionen Euro für die medizinische Versorgung in den Gefängnissen ausgegeben. Heinrichs wies allerdings darauf hin, dass auch die Zahl der Häftlinge in den vergangenen Jahren angestiegen ist.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung gegen fünf Justizbedienstete.

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