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Mittendrin: Und nicht bei allen beliebt. Mitarbeiter des Infopavillons wurden bereits angepöbelt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Streit um Randbebauung: Auf dem Tempelhofer Feld flog der erste Stein

Der Konflikt um die geplante Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld gewinnt an Schärfe. In den vergangenen Tagen ist es zu Verbalattacken und Vandalismus gekommen. Was passiert erst, wenn die ersten Bagger anrücken?

Kitesurfer, Jogger, Lenkdrachenfreaks, Vogelschützer, Naturlyriker – auf dem Tempelhofer Feld sind alle willkommen. Doch das friedliche Miteinander unterschiedlicher Interessengruppen, die das Image des Flughafenrunds bisher prägte, scheint langsam unter die Räder zu kommen. Der Konflikt um Bebauen oder Freihalten „gewinnt an Schärfe“, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH, die das Feld für den Senat entwickelt.

Vor zwei Tagen wurde eine Mitarbeiterin im neuen Infopavillon „Schaustelle Wohnen“ von einer Besuchergruppe bedrängt und als „Kapitalistensau“ beschimpft. Man habe trotz dieser Verbalattacke von einer Anzeige abgesehen, sagte Pallgen. Der Infocontainer zur Parkgestaltung, der im nördlichen Bereich des Feldes steht, ist mit einem Stein beworfen worden. Die Fensterscheibe ist geborsten.

Sicherheitsdienst ist immer in der Nähe

„Die Wut ist da. Die Leute haben das Gefühl, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird“, sagte ein anderer Mitarbeiter des Pavillons am Donnerstag. „Angst habe ich nicht. Wenn wirklich etwas sein sollte, kann ich den Sicherheitsdienst rufen – die sind sofort hier.“

Auch zwischen den offiziellen Vertretern der gegensätzlichen Parteien wachsen die Spannungen. In ausführlichen Pressemitteilungen bezichtigen sich Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) und die Initiative „100 Prozent Tempelhof“ gegenseitig der Falschinformation. Dabei geht es um einen Flyer der Initiative, in dem das gesamte Feld mit Wohnbauten gespickt ist, darunter „Ökostadtvillen“ und „massive Wohnblocks“. Die Initiative verteidigt ihre „provokante Grafik“ mit dem Hinweis, nur „Visionen bis 2030“ abgebildet zu haben.

Pallgen spricht von einer „Paranoia“ der Bebauungsgegner. Sie fürchteten eine Verschwörung der Senatsverwaltung, die an Geheimplänen arbeite, das gesamte Feld zu bebauen. Das sei natürlich „Quatsch“.

Bisher 80 000 Unterschriften gegen Bebauung

Michael Schneidewind von der Initiative sieht dagegen durchaus eine „Gefahr, dass es in ferner Zukunft nicht bei einer Randbebauung bleibt“. Wenn der Senat kein Geld mehr habe für Bildung oder Infrastruktur, werde er unter erheblichen Druck geraten, weitere Baugrundstücke zu verkaufen. Auch das müsse man bei einem Votum pro oder contra Randbebauung einbeziehen. „Wir unterstellen dem Senat aber keine Geheimpläne.“

Bis jetzt hat die Bürgerinitiative 80 000 Unterschriften gesammelt. „Wir sind ganz gut dabei“, sagt Schneidewind. Allerdings wurden nach Angaben des Landeswahlleiters erst 30 800 Unterschriften geprüft und 26 300 für gültig befunden. Bis zum 13. Januar müssen 174 000 gültige Unterschriften eingegangen sein, damit der Volksentscheid starten kann. In den nächsten Wochen wollen die BI-Aktiven Unterschriftenlisten in Briefkästen stecken und auf Weihnachtsmärkten sammeln – „in allen Bezirken“.

Der Pavillon am Tempelhofer Damm ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.
Der Pavillon am Tempelhofer Damm ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Eine Auswertung, in welchen Stadtregionen besonders viele Unterschriften geleistet werden, gibt es bislang nicht. Solche Analysen würden erst nach Ende der Abgabefrist gemacht, sagt Geert Baasen vom Büro des Landeswahlleiters. Auch die Initiatoren des Volksbegehrens haben dazu keine Erkenntnisse.

Standortkonferenzen sind gut besucht

Die Bebauungsgegner haben am Donnerstag einen alten BVG-Doppeldecker vor das Flughafengebäude gestellt und mit Transparenten behängt. Damit sollten die Teilnehmer einer Tagung des „Urban Leader Forum“ auf die Kritik aufmerksam gemacht werden. Auch die Besucher einer weiteren „Standortkonferenz“ der Stadtentwicklungsverwaltung zu den Bauplänen müssen an diesem Bus vorbei – das habe man so nicht geplant, sagte Tempelhof-Projekt-Sprecher Pallgen, ein „Terminzufall“.

Die Standortkonferenzen in der Flughafenhalle oder einem der Hangars sind gut besucht. Zuletzt kamen 450 Menschen, darunter viele Gegner. Senator Müller wurde scharf angegriffen. Seine Bürgerbeteiligung sei nur eine Alibiveranstaltung, eigentlich stünden die Pläne längst fest.

Unklar ist, ob sich eine Protestbewegung entwickelt, wenn die ersten Bagger aufs Feld rollen. Momentan laufen nur archäologische Grabungen und Baumpflanzungen auf dem nördlichen Teilgebiet. Für den Bau des ebenfalls strittigen Wasserbeckens wartet Müller noch auf ein Signal vom Gericht.

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