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Berlin: Einfach handeln DREI TAGE IN DEUTSCHLAND – IN BERLIN HAT DER TÜRKISCHE REGIERUNGSCHEF EIN HEIMSPIEL

Erdogan flog früher ein und besuchte türkische Aussteller auf der Ifa. Viele seiner Landsleute sind erfolgreiche Unternehmer in Berlin

Kerzengerade hält Ülkü Sinac das Schild mit der Aufschrift „Messerundgang“. Sie arbeitet als Hostess auf der Ifa und ihr Job ist es, die Besucher über das Gelände zu führen. Das wird sie auch jetzt wieder tun, professionell und freundlich. Nur, dass ihr Lächeln ein wenig breiter ist als sonst. Denn Sinac begleitet den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan durch die Funkausstellung.

Eigentlich sollte Erdogan erst am Montagabend in Deutschland eintreffen. Aber er kam schon etwas früher, direkt von der Leichtathletik-WM in Paris. Er wollte nicht erst zurück nach Ankara fliegen, und da nutzte er die Zeit für einen Besuch der Ifa. Dort sollte er gegen 15 Uhr ankommen. Als eine Kollegin Ülku Sinac fragt, ob der Ministerpräsident wohl pünktlich sein werde, muss sie lachen: „Du weißt doch, wie wir Türken sind.“

Der türkische Ministerpräsident ist dann doch fast pünktlich. Kurz nach drei: Umringt von dunkelhaarigen Bodygards schreitet er im Nadelstreifenanzug über den roten Teppich. Sinac geht voran, ihr Schild trägt sie wie eine Trophäe. Erdogan, sein Tourismusminister, eine Menge Bodyguards und noch mehr Journalisten folgen ihr. Erdogan schaut bei den Ausstellungsständen von vier türkischen Unternehmen vorbei. Den Geschäftsführer des Elektronikkonzerns Vestel, Ahmet Zolu, begrüßt Erdogan mit einer innigen Umarmung. Dann legt Erdogan den Arm um Zolus Schulter. Der Manager ist einen Kopf kleiner als der Ministerpräsident. Plaudernd verschwinden sie in einem Besprechungsraum.

Eine gute Stunde bleibt Erdogan auf der Ifa – 15 Minuten für jedes Unternehmen. Würde Erdogan sämtliche türkische Unternehmer in Berlin besuchen wollen, er wäre wohl einige Wochen unterwegs. 5500 Selbständige türkischer Nationalität gibt es in der Stadt, sie beschäftigen insgesamt 27000 Mitarbeiter und setzen jährlich 2,2 Milliarden Euro um. Türkische Geschäftsleute – das sind nicht nur Dönerbudenbesitzer und Obsthändler. „Türkische Unternehmer sind in Berlin in rund 90 Wirtschaftszweigen tätig“, heißt es bei der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung Berlin-Brandenburg. Ein anderer Wirtschaftsverband ist der Anlass für Erdogans Besuch in Deutschland: Am Dienstagabend wird der Ministerpräsident die deutsche Repräsentanz der türkischen Wirtschaftsvereinigung Tüsiad eröffnen.

Türken führen Verlage, Baufirmen, Unternehmensberatungen und Kanzeleien. Inci Burhaniye ist eine von 50 türkischen Rechtsanwälten in Berlin. Sie hat in Göttingen studiert, in Berlin das Referendariat gemacht und dann in der Motzstraße in Schöneberg ihre Kanzlei eröffnet. Burhaniye hat sich auf Wirtschaftsrecht spezialisiert, ihre Klienten sind sowohl deutsche als auch türkische Unternehmer. Gibt es da Unterschiede? „Die Türken sind vielleicht ein bisschen mutiger“, sagt sie. Gerade die Jüngeren würden sich nach wie vor in Krisenbranchen wie etwa der Medienbranche selbständig machen.

Zu den erfolgreichsten türkischen Geschäftsleuten in Berlin gehört das Ehepaar Sari. Ihnen gehört der Elektronikfachhandel Manolya. Angefangen haben die Saris mit einem kleinen Laden in Kreuzberg. Mittlerweile machen sie Geschäfte auf der ganzen Welt und setzen jährlich 30 Millionen Euro um. Seinen Erfolg hat Sabahattin Sari einmal so erklärt: „Das Handeln liegt uns Türken im Blut, den Perfektionismus habe ich von den Deutschen übernommen.“

Dagmar Rosenfeld

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