zum Hauptinhalt

Berlin: Einfach in die Menge geschlagen

Am 1. Mai wurde in Kreuzberg eine friedliche Besucherin niedergeknüppelt und schwer verletzt. Nach Tagesspiegel-Bericht gibt es jetzt Fotos – und einen Zeugen

Nach der Polizei-Prügelattacke auf eine Myfest-Besucherin gibt es neue Hinweise. Aufgrund der Berichterstattung über den Angriff am späten Abend des 1. Mai in Kreuzberg meldete sich ein Zeuge beim Tagesspiegel. „Ich war bei dem Vorfall dabei. Auch ich wurde von Polizisten getreten, aber nicht verletzt“, sagt der Zeuge.

Zudem verwies der Mann auf Bilder der Szenerie, die ein Fotograf ins Internet gestellt hatte. Unter anderem ist dort die mit dem Schlagstock niedergeprügelte Myfest-Besucherin Almuth W. am Boden liegend zu sehen. Auch die Kennzeichnung der Polizei-Einheit „1121“, die bei dem Vorfall anwesend war, ist deutlich erkennbar.

Wie berichtet, hatte die 30-Jährige mit einer befreundeten Tagesspiegel-Reporterin das friedliche Myfest besucht. Auf dem Heimweg waren die beiden Frauen in die später ausgebrochene Randale geraten. Da plötzlich Steine und Flaschen flogen, suchten sie vor einem Hauseingang in der Oranienstraße Schutz. Plötzlich sprühten Polizisten Pfefferspray und Tränengas. Dank der Hilfe von Hausbewohnern schaffte es die Tagesspiegel-Reporterin gerade noch, sich in den Hauseingang zu retten, ihre Freundin nicht mehr. Wie sie berichtet, hatte sie sich zum Schutz vor dem Tränengas zur Hauswand umgedreht. Plötzlich schlug ihr ein behelmter Polizist mit seinem Knüppel die Beine weg. Als sie schon auf allen vieren am Boden lag, schlug er mit dem Stock zweimal seitlich auf den Oberkörper. Die Ärzte diagnostizierten später einen Rippenbruch.

Nachdem das Opfer Anzeige erstattet hatte, nahm das zuständige Dezernat beim Landeskriminalamt die Ermittlungen auf. Unter anderem sichteten die Beamten Filmaufnahmen von Fernsehteams – bislang offenbar erfolglos. Der Zeuge, der sich beim Tagesspiegel meldete, sowie der Fotograf, der die Bilder ins Netz stellte, sollen nun ebenfalls vom LKA zu dem Vorfall befragt werden.

Wie weit die Untersuchungen vorangekommen sind, darüber gab es wegen des laufenden Verfahrens keine Auskunft. Polizeiintern hört man von einigen Beamten, die Ermittler müssten „längst selbst auf die Fotoseiten gestoßen sein“. Anhand der nun vorliegenden Aufnahmen können die Beamten ein großes Stück weiterkommen: Die vier Ziffern auf dem Rücken der Einsatzkräfte geben nicht nur die Einheit wieder, in der sie eingesetzt waren, sondern auch die Gruppe. Die besteht in der Regel aus etwa sechs Beamten. „Zumindest die, die auf den Fotos zu erkennen sind, müssten zu dem Vorfall befragt werden“, hieß es in Polizeikreisen.

Laut Tagesspiegel-Informationen sind nach dem 1. Mai beim LKA-Dezernat für interne Ermittlungen weitere Anzeigen gegen Polizisten eingegangen. Die Polizei konnte gestern nur eine vorläufige Zahl nennen: „Bislang liegen neun Anzeigen gegen Polizeibeamte vor.“

Eine Abschlussbilanz gibt es lediglich zu den verletzten Polizisten und den festgenommenen Randalierern vom 1. Mai und der Walpurgisnacht: Demnach sank die Zahl der verletzten Beamten im Vergleich zum Vorjahr von 66 auf 43. Die der festgenommenen Randalierer stieg von 179 auf 234. Die Organisatoren der abendlichen 1.-Mai-Demonstrationen teilten mit, dass im Laufe des Abends mehr als 30 Personen durch Polizeibeamte verletzt worden seien.

Der niedergeprügelten Myfest-Besucherin Almuth W. geht es nach dem Angriff noch immer nicht gut. „Ich muss starke Schmerzmittel nehmen. Gehen, sitzen oder liegen macht mir dennoch Schwierigkeiten“, erzählt sie. Drei Wochen lang war die für Amnesty International (ai) arbeitende Frau krank geschrieben. Nun plant sie zivilrechtliche Schritte gegen die Polizei: „Ich berate mich derzeit mit einem Anwalt.“

In der Vergangenheit hatte es wiederholt zivilrechtliche Klagen gegen das Land Berlin gegeben. Wie eine Tagesspiegel-Leserin berichtet, habe sie vom Land Berlin 5000 Euro Schadenersatz erstritten. Nach ihren Angaben waren ihrem Sohn im vergangenen Jahr – ebenfalls als unbeteiligtem Myfest-Besucher – von einem Polizeibeamten mehrere Schneidezähne ausgeschlagen worden.

Zurzeit läuft eine Klage gegen das Land Berlin nach einem Polizeieinsatz in der Diskothek „Jeton“ an der Frankfurter Allee. Bei der Razzia im August 2005 war die Polizei gegen mutmaßliche Hooligans vorgegangen. Mindestens 21 Gäste wurden verletzt. Nach Ansicht Bert Handschumachers, des Anwalts eines Opfers, sei die Polizei rechtswidrig vorgegangen. Er klagt nun auf 15 000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Die Polizei geht bei der Prügelattacke eines Beamten von einem „Einzelfall“ aus.

Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es vereinzelt zu Übergriffen von Polizeibeamten komme.

In einem Fernsehinterview sagte er, den Vorwürfen werde nachgegangen. Sollten die sich erhärten, werde man sich bei den Opfern entschuldigen . tabu

Webseite: Weitere Bilder des Polizeieinsatzes

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false