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Einflussnahme auf die Presse: Die verbotenen Bilder der Senatorin

Nicht nur der Bundespräsident, auch Berliner Politiker versuchen, die Berichterstattung mitzubestimmen. Sie geben Fotos vor oder verbitten sich unangenehme Fragen. Der Tagesspiegel hat schon einige Erfahrungen damit gemacht.

An ihrem öffentlichen Erscheinungsbild feilen Politiker schon immer. Dennoch ist dieses Vorgehen noch eher selten: In einer E-Mail aus dem Haus der neuen Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für die CDU) an die Redaktionen schrieb eine Mitarbeiterin der Pressestelle, „bei Veröffentlichungen mit Foto nur dieses zu verwenden“. „Dieses“ Foto wurde als E-Mail-Anhang mitgeliefert. Weiter heißt es: „Sämtliche anderen Fotos können Sie aus Ihren Archiven entfernen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Sehen Sie hier, warum wir dafür kein Verständnis haben - und welche Bilder der Senatorin wir in unserem Archiv gefunden haben.

Dass man als Redaktion, die auf ihre Unabhängigkeit von PR Wert legt, für ein Ansinnen wie das der Senatorin nicht allzu viel Verständnis aufbringt, kann Sprecherin Gina Schmelter nicht so ganz verstehen. Man solle das Schreiben nicht als Anweisung verstehen, die anderen Bilder aus den Archiven zu verbannen. Das sei vielleicht „zu überspitzt“ formuliert. „Aber Frau von Obernitz ist es schon ein Anliegen, dass nicht so viele Porträtfotos kursieren“, sagt Schmelter. Das offizielle Bild gefalle ihr nun mal sehr gut. „Es ist ein Angebot, das Sie nutzen können oder auch nicht“, sagt sie und versucht, das Foto mit dem Hinweis auf die unentgeltliche Nutzung schmackhaft zu machen.

Der Vorgang ist für Jens Sell, den stellvertretenden Vorsitzenden des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg, ein Versuch „der grotesken Bevormundung der Presse“, der inakzeptabel sei. Und die Senatorin ist nicht die einzige Politikerin, die im Wortsinn das Bild der Öffentlichkeit von sich bestimmen will. Mehrfach intervenierte etwa der langjährige Berliner FDP-Fraktions- und Landesvorsitzende Martin Lindner. Nur ein ihm genehmes Foto sollte im Tagesspiegel verwendet werden.

Journalisten können einiges darüber erzählen, wie Politiker versuchen, der Öffentlichkeit ihre Sicht der Dinge aufzudrücken. Anruf beim Chefredakteur? Nicht unbedingt, um eine Berichterstattung zu unterbinden – aber zumindest Beschwerden über Berichte oder auch einzelne Redakteure hat es beim Tagesspiegel mehrfach gegeben. Das betrifft Vertreter aller Parteien. Selbst die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast ließ während des Wahlkampfs im Sommer 2011 bei der Chefredaktion intervenieren, weil sie sich zu kritisch angegangen fühlte.

Die Berichterstattung über die Pannen der Bahn verärgerte auch den früheren Chef Hartmut Mehdorn so nachhaltig, dass seine Presseabteilung vorstellig wurde, um seinen Ärger über einen Redakteur loszuwerden.

Zum Alltag gehört, dass Politiker mit Gunstbeweisen oder mit Liebesentzug arbeiten. Zum Ersteren gehört eine Verbreitung von Informationen an genehme Journalisten, während es anderen Berichterstattern nicht recht gelingen mag, eine Stellungnahme des Politikers zu erhalten. Auch Interviews werden regelmäßig zur Kampfzone. Das fängt an beim Verlangen, die Journalisten mögen bitte alle Fragen vorher einreichen, bis hin zum Versuch, Einfluss auf die Auswahl der Gesprächspartner zu nehmen. Auch der erst seit einigen Wochen amtierende rot-schwarze Senat hat schon einiges vorzuweisen. Der SPD-Landesvorsitzende und neue Stadtentwicklungssenator Michael Müller etwa fand einige der angekündigten Fragen so provokativ, dass er vorab beschied, er wolle diese nicht gestellt bekommen. Der Tagesspiegel verzichtete auf das Gespräch.

Eine neue Entwicklung ist das nicht. Der ehemalige Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper (SPD), hatte schon so weitreichende Änderungswünsche an seinen Antworten – und wollte auch eine Frage verändern –, dass der Tagesspiegel auf den Abdruck des Gesprächs verzichtete. Wie auch bei einem Gespräch mit Oskar Lafontaine. Nicht immer gehen Politiker so weit, dass sie Redakteure ausladen möchten, wie es der frühere Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) anlässlich eines Pressegesprächs über die Hintergründe der jahrelangen Bauverzögerung bei der Topographie des Terrors beim Tagesspiegel versuchte.

Einschreiben an Privatadressen und Anwälte in eigener Sache

Ein beliebtes Mittel, Berichterstattung einzuschränken, sind die Einladungen zu sogenannten Hintergrundgesprächen. Anders als Pressekonferenzen, zu der alle Pressevertreter Zutritt erhalten müssen, sind Hintergrundgespräche zuweilen handverlesen zusammengestellt – Pech, wer dann unberücksichtigt bleibt. Der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) etwa wusste dieses Mittel einige Male zu nutzen.

Es bleibt aber dem früheren Senator und ehemals starken Mann der Berliner SPD, Peter Strieder, vorbehalten, sich auf besondere Weise gegen eine Berichterstattung gewehrt zu haben. Als der Tagesspiegel 2004 die skandalösen Hintergründe bei der Finanzierung des Tempodroms öffentlich machte, überzog Strieder die Redaktion mit mehr als zwei Dutzend Gegendarstellungen. Einige der gerichtlichen Verfügungen wurden dem Leiter der Berlin-Redaktion sogar per Einschreiben an dessen Privatadresse zugestellt. Die Absicht, damit eine genehme Berichterstattung zu erzwingen, ging schief: Strieder musste zurücktreten.

Andere Politiker lehnen solcherlei Interventionen ab. „Sie können das nicht kontrollieren“, sagt der designierte neue Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU), der sich als Werbe- und Kommunikationsexperte einen Namen gemacht hat. „Natürlich versuche ich, Medien zum Beispiel durch Gespräche mit Journalisten in meinem Sinne zu beeinflussen“, sagt er. „Ich bin ja Anwalt meiner eigenen Sache.“ Dennoch seien die Medien neutral. „Ich glaube, man kann das öffentliche Bild von sich nicht durch Vorgaben oder Beschränkungen prägen, sondern nur durch Überzeugen.“ Dem stünde zudem Artikel 5 des Grundgesetzes entgegen, der die Meinungsfreiheit garantiert.

Durch das Internet, zum Beispiel mit eigenen Webseiten, haben Politiker inzwischen die Möglichkeit, direkt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Darüber hinaus gibt es die offiziellen Veröffentlichungen des Parlamentes. Dort müssen Abgeordnete ihren Beruf ebenso nennen wie Mitgliedschaften bei Vereinen und Berufsverbänden oder ihre Aufsichtsratsmandate. Private Daten werden dort mit mehr Diskretion als früher gehandhabt. Seit der vergangenen Legislaturperiode müssen keine Angaben mehr über Familienstand oder Zahl der Kinder gemacht werden. Ihr Foto im Abgeordnetenhaushandbuch dürfen die Parlamentarier übrigens selbst aussuchen.

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