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Alexa Kinder

© Kitty Kleist-Heinrich

Einkaufszentrum: Safari mit Einkaufskorb

Im Alexa hat sich der Ansturm ein wenig gelegt. In der „Kindercity“ ist er noch gar nicht angekommen.

Rosa? Grün! Wer den Weg in den vierten Stock des Alexa gefunden hat, der vergisst die, nun ja, gewöhnungsbedürftige Fassade. Mitten drin in dem rosa Betonklotz windet sich eine künstliche Ranke nach oben, sie erinnert an die Bohnenpflanze, die der kleine Hans einst in den Himmel wachsen ließ. Im Märchen wohnt oben ein Riese, dem Hans heimlich Goldstücke stiehlt. Im Alexa, Berlins neuestem und umstrittenstem Einkaufszentrum, geht es hinauf in die Kindercity, wo die Eltern ihre Kleinen zum Spielen abgeben können – um sich ungestört den Sonderangeboten im Elektronikmarkt zu widmen. Papageien und Affen und Tiger wippen auf den grünen Verästelungen, drumherum wickelt sich eine Treppe fünf-, sechsmal um die Ranke herum. Prima Platz für ein Wettrennen, mit viel Gebrüll und Ellenbogeneinsatz.

So ungefähr haben das die Erwachsenen gemacht, vor zehn Tagen, als sie ein paar Stunden vor der offiziellen Eröffnung Jagd machen durften auf Mobiltelefone, Druckerpatronen und USB-Sticks. Das Chaos zur Eröffnung mag den kommerziellen Erfolg gefördert haben. Das Image des Hauses Alexa aber litt. Angewidert registrierte das Feuilleton einen Aufstand der modernen Plebejer. Und erst die Architektur: Völlig missraten, außen rosa Zwingburg, innen plumpe Art-Deco-Imitation. Seit Ceausescu in den achtziger Jahren für seinen Palast die Bukarester Altstadt wegsprengen ließ, hat kein Gebäude eine so schlechte Presse gehabt wie das Alexa.

Zehn Tage liegt das jetzt zurück, die öffentliche Empörung hat nachgelassen wie auch der Ansturm auf Sonderposten der Unterhaltungselektronik. Mittlerweile kann man ohne erhöhtes Gesundheitsrisiko durch alle vier Etagen des größten Mediamarkts der Welt spazieren. Im zweiten Stock gibt es sogar eine Espresso-Bar. Der Standort zwischen Kaffeemaschinen und Rolltreppe trägt nicht gerade zur Gemütlichkeit bei. Aber wer geht schon in ein Einkaufszentrum, weil er es gemütlich haben will?

In der Regel sind solche Besuche auch nicht an den Genuss architektonischer Feinheiten geknüpft. Der Kunde nimmt sie dennoch unterschwellig wahr, im Alexa sogar dankbar. Natürlich sind die Geländer nicht schmiedeeisern, sondern aus Aluminium. Sie sind trotzdem schöner anzuschauen als die handelsüblichen aus dem Baumarkt. Das Dach ist aus Glas, dazu spenden riesige Panoramafenster auf beiden Seiten des langgezogenen Gebäudes natürliches Licht. Für die Raucher gibt es Balkone und Terrassen. Die vielen Bögen und Mosaike an Wänden und Böden mögen als architektonisches Zitat indiskutabel sein, in ihren warmen Farben aber verströmen sie Behaglichkeit. Wenig rechte Winkel, viele Bögen, die Rolltreppen suchen sich in scheinbar zufälliger Anordnung ihren Weg. Auf die Ansprüche der Konsumindustrie heruntergerechnet, könnte man sagen: Das Alexa ist mehr Barcelona als Berlin, mehr Gaudí als Schinkel.

Der Centermanager Oliver Hanna sagt, der Investor habe ganz bewusst unterschiedliche Stile und Farben eingesetzt, um der Vielfalt des nahen Alexanderplatzes zu genügen. Das ist ein bisschen gestochen formuliert. Der Alexanderplatz ist auch 18 Jahre nach der Wende eine ziemlich trostlose Ansammlung von Hochhäusern. Das Alexa dürfte wenig zur Wiederbelebung beitragen. 180 Geschäfte unter dem gläsernen Dach saugen Kaufkraft und Kunden aus den umliegenden Straßen ab. Die elektronische Zählanlage hat in den ersten drei Tagen 600 000 Kunden im Alexa ermittelt, sagt Hanna, „das hat alle Erwartungen übertroffen. Wir sind extrem zufrieden“. Besonders gut laufen der Mediamarkt und der „Food Court“, eine Fressmeile mit 17 Mini-Restaurants.

Rund um die Bohnenranke im vierten Stock geht es noch beschaulich zu. Am Eingang der Kindercity langweilen sich die Kassiererinnen. Das liegt nicht nur daran, dass der liebe Kunde aus technischen Gründen zurzeit nicht mit der Karte zahlen kann. Am Freitagnachmittag fahren dort gerade mal drei Kinder auf elektrischen Mini-Autos. Der Wissensshop, ein besserer Spielzeugladen, ist völlig leer.

Oliver Hanna sagt, die Tendenz stimme ihn dennoch zuversichtlich. „In den ersten Tagen waren viele Familien da, die einfach mal gucken wollten, viele werden wiederkommen, es werden täglich mehr“. In der Kindercity kann man Brot backen, Dinosaurier ausgraben, ins Kino gehen. An der „Stadtgrenze“ steht eine virtuelle Barriere: Ein Schild mit der Aufschrift „Achtung, zahlungspflichtiger Bereich!“ Ein Spaziergang an Mamas Hand durch den Mediamarkt ist kostenlos.

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