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Berlin: Eins nach rechts gerückt

Der neue CDU-Fraktionschef Henkel fand sich gleich in seine Rolle hinein

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eigentlich war es ganz einfach: Jeder rückte eins nach rechts – und schon saß der frisch gewählte CDU-Fraktionschef Frank Henkel im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses auf dem richtigen Platz. Ganz vorn, erste Reihe, erstmals in Tuchfühlung zum SPD-Fraktionschef Michael Müller auf der anderen Seite des schmalen Ganges. Kurz vor der Sitzung kamen die Kollegen aus den anderen Fraktionen, um artig zu gratulieren. Einer der Ersten war der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der auf Henkel zustürmte, ihm die Hand drückte und ausrief: „Na, Mensch!“

Es folgte ein längeres launiges Gespräch unter Männern. Der bullige CDU-Mann genoss die Aufmerksamkeit des Regierenden sichtlich, während Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) noch darüber grübelte, was er denn zu Beginn der Plenarsitzung zum abgewählten Friedbert Pflüger sagen sollte. Er beließ es bei dem einen Satz: „Ich will die Gelegenheit nutzen, die von Herrn Pflüger geleistete Arbeit zum Wohle Berlins zu würdigen.“ Nach kurzem pflichtgemäßen Applaus ging das Abgeordnetenhaus zur Geschäftsordnung über. Pflüger war ohnehin nicht im Saal – obwohl er sein Mandat ja vorerst behalten will.

Der Ex-Fraktionschef hatte noch bis 13.30 Uhr in seinem Büro gesessen, zusammen mit seiner Ehefrau und den engsten Mitarbeitern, dann verließ er das Hohe Haus mit unbekanntem Ziel. Er wolle später vielleicht noch mal wiederkommen, hieß es. Sein Amtszimmer müsse Pflüger erst nächste Woche räumen, verlautete aus der CDU-Fraktion, man werde ihn nicht drängen. Der ehemalige Vorsitzende müsse sich im Parlamentssaal auch nicht auf die letzte Hinterbank setzen. Ab der dritten Reihe hat Pflüger wahrscheinlich die freie Auswahl.

Derweil telefonierte Henkel schon fleißig vom Chefsessel aus, applaudierte mit kräftigen Pranken den CDU-Fraktionskollegen am Rednerpult und plauderte recht fröhlich mit den Vorstandskollegen. Zwei Stunden nach der Abwahl Pflügers war die Betroffenheit schon ein wenig von ihnen abgefallen. Selbst jene Parteifreunde, die Pflüger noch aus seiner ersten Berliner Zeit in den 80er Jahren freundschaftlich verbunden sind, zuckten nur noch müde mit den Schultern, weil er sich bis gestern früh jedem gut gemeinten Ratschlag verweigert habe.

Seit zwei Tagen, so wurde kolportiert, habe Pflüger hauptsächlich zu Hause mit Frau und Schwiegermutter zusammengesessen. Dabei habe ja nichts herauskommen können. Und eine wenig zartfühlende Seele meinte: „Der ist doch irre, das haben wir vorher nicht gewusst, und den wollten wir zum Regierenden Bürgermeister machen.“

In der Lobby des Landesparlaments flanierte derweil in gewohnt lässiger Manier Klaus Wowereit herum und fand ebenfalls strenge Worte: „Pflüger hat am Ende alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte.“ Ihm fehlten offenbar die notwendigen Führungsqualitäten. „Als er die Macht endlich wollte, war er ohnmächtig.“ Die Union habe mal wieder bewiesen, befand das Stadtoberhaupt, dass sie Berlin nicht regieren könne. Ulrich Zawatka-Gerlach

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