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Berlin: Einsam wacht

Wer dafür verantwortlich ist, dass zu Weihnachten in der Stadt alles reibungslos läuft – damit die anderen in Ruhe feiern können

Von Katja Füchsel

und Holger Wild

In der Stadt kehrt Festtagsruhe ein. Während die allermeisten Menschen Weihnachten feiern, heißt es für einige wenige: Ab zur Arbeit. Sie halten die Stadt am Laufen, damit die anderen das Fest unbeschwert genießen können.

Still ruht heute Abend das Kanzleramt – aber nicht ganz. Denn im Lagezentrum sitzt ein einsamer Beamter und verfolgt die Nachrichten aus In- und Ausland. Die bekommt er aus dem Bundespresseamt gesendet, wo ein ebenso einsamer Redakteur acht Nachrichtenagenturen auswertet. Sollte etwas geschehen, das eine Reaktion des Kanzlers erfordert, wird er in Hannover beim Weihnachtsbraten angerufen, auch die Führungsebene des Amtes ist über Handy erreichbar und ebenso die Regierungssprecher. Ein Mitarbeiter des Bundespresseamtes erinnert sich an Silvester 1999, als völlig überraschend der russische Präsident Jelzin zurücktrat. „Da war klar: Jetzt glühen bald die Telefone.“

Weihnachten, für Feuerwehrchef Albrecht Broemme geraten die Festtage jedes Mal „zur Zitterpartie“, immerhin: „Aus der Kirche musste ich Heiligabend bislang noch nicht weg.“ Im letzten Jahr holte ihn die Leitzentrale am ersten Feiertag aus dem Bett: Ein Feuer war in den traditionsreichen „Wannsee-Terrassen“ ausgebrochen; das Ausflugslokal brannte vollständig ab. 600 Feuerwehrleute hat Broemme Weihnachten im Einsatz, 1500 freiwillige kann er zusätzlich aktivieren. Seit zehn Jahren ist Broemme Chef der Feuerwehr, daran dass die eigenen Partys zuweilen ohne ihn auskommen müssen, haben sich die Freunde längst gewöhnt. Wie letzten Geburtstag im Mai, als er zu einem Großbrand gerufen wurde.

Eher spartanisch lebt auch Gerd Neubeck zur Weihnachtszeit. „Ein Glas Wein zur Gans geht, dann ist Schluss“, sagt der Polizei- Vize-Präsident, der selbst beim Joggen per Handy erreichbar ist. Für den Lagedienst, das Landeskriminalamt, den Innensenator. Ehrhart Körting wiederum hat in diesem Jahr zum ersten Mal die Stallwache im Roten Rathaus übernommen. „Wenn was passiert, können wir blitzschnell die Einsatzkräfte organisieren“, sagt der Innensenator. Im Notfall. Doch Körting hofft Weihnachten lieber auf den Normalfall: Heiligabend unter dem Baum – mit Bratkartoffeln und Spiegelei.

Möglichst keine Lichtlein blinken sehen will am Heiligabend Christian Diene. Er hat Spätdienst in der Systemführungswarte der Bewag in Schöneberg, und wenn auf der großen Schalttafel Lichter blinken, ist in einem der 113 Umspannwerke etwas nicht in Ordnung. Auf dem Computer erscheinen kurz darauf genauere Fehlermeldungen, und Diene schickt die Leute vom Bereitschaftsdienst los. Kleine Störungen wie der Ausfall eines 10-Kilovolt-Kabels kommen häufiger mal vor, vielleicht einmal die Woche. Dann sind 300 bis 800 Haushalte betroffen, „nach zwanzig Minuten aber ist der Schaden in der Regel behoben“, sagt Diene. Mit ihm ist im Spätdienst noch ein zweiter Kollege für die Überwachung des Verteilungsnetzes zuständig. Zwei weitere sitzen an den Telefonen des Störungsdienstes, nehmen Kundenanrufe entgegen und vermitteln gegebenenfalls an die Notdienste der Elektrikerinnung.

Weiße Weihnacht – das ist für Einsatzleiter Robert Drieß ein höchst zweifelhaftes Vergnügen, denn für die Stadtreinigung heißt das: viel Arbeit. 2300 Mitarbeiter hat Drieß zu koordinieren, wenn es über die Feiertage glatt wird auf den Straßen. Wie letzte Weihnachten und vorletzte. Als es 2001 mittags anfing zu schneien, saß Drieß – vorgewarnt von den Meteorologen – schon in der Leitstelle und telefonierte mit den Betriebshöfen. Böse war ihm zu Hause niemand, als er sich erst spät abends zur Familie gesellte. „Das gehört halt dazu“, sagt Drieß.

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