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Berlin: Einsame Mauerschützer

Schon 1989 sollten die Grenzanlagen Denkmal werden

Dieser Aufruf hat Jürgen Karwelat für einige Zeit zu einem ziemlich unverstandenen Menschen gemacht.

Die Mauer war noch nicht gefallen, da dachten der Jurist Karwelat und ein paar Mitglieder der Berliner Geschichtswerkstatt darüber nach, wie man sie erhalten könnte. Dass man die Mauer erhalten müsse, daran war aus ihrer Sicht nicht zu rütteln. Der Aufruf stammt vom 30. Oktober 1989, zehn Tage vor dem historischen Durchbruch. „Die Zeit wird über sie hinweggehen, da sind wir sicher. Werden die Grenzen eines Tages geöffnet, warnen wir aber schon jetzt vor einer kulturellen Barbarei: Reißt die Mauer nicht ein!“ Die Initiative wollte die Mauer für den Verkehr „durchlässig“ machen, den Betonwall aber größtenteils erhalten.

Im Rückblick, sagt Jürgen Karwelat, sei das vielleicht ein „in der Form etwas obskurer Aufruf“ gewesen. „Aber ein inhaltlich richtiger, dazu stehe ich nach wie vor“, erklärt der 53-Jährige. Mit dieser Auffassung ist Karwelat längst nicht mehr so einsam wie noch vor 15 Jahren. Dass es im Nachhinein ein Fehler war, die Mauer fast komplett abzureißen, ist zwar nicht allgemeiner Konsens. Doch vertreten inzwischen Historiker und viele Politiker diese Meinung. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) ist nur einer von ihnen.

Im Herbst des Jahres 1989 war das anders. Es war ein kleiner Kreis, der die Mauer erhalten wollte. „So 50 bis 100 Menschen“, sagt Karwelat. Geschichtsinteressierte, Alternative, Privatleute zumeist, ein paar wenige Politiker waren darunter. Karwelat erinnert sich, „dass es selbst unter meinen Freunden und Bekannten kaum jemanden gab, der für unser Anliegen Verständnis hatte“. Wenn jemand den Kopf schüttelte, sei das noch „die freundlichere Variante gewesen, Unverständnis zu zeigen“. Viele hatten von der Idee der Initiative durch die Medien erfahren. Beeindruckt waren sie offenkundig nicht. „Sie fanden: Die Mauer musste weg.“ Und Karwelat fand es „eigenartig, wie einig man sich da in Ost und West war“.

Die Mauer musste weg. Für Karwelat bleibt das ein Fehler. Durch die aktuelle Debatte um die neue Mauer am Checkpoint Charlie sieht er sich bestätigt. „Der Streit zeigt: Die Fragen von damals sind ungeklärt. Ein endgültiges, vernünftiges Gedenkkonzept steht aus.“ Aber auch Karwelat will am Checkpoint keine Mauer mehr sehen. „Was weg ist, ist weg.“ mne

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