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Sechsjährig und stolz auf ihre Schultüten: Joshua (rechts) und Joel von der Heinz-Galinski-Schule.

© Thilo Rückeis

Einschulung in Berlin: Zahnlücken fürs Familienalbum

Am Sonnabend war Einschulung in Berlin - aber nicht für alle 39.000 Berliner Erstklässler. Rund 150 von ihnen waren schon am Freitag dran, und das hat mit dem Schabbat zu tun.

„Jetzt bin ich ein Mann“, hat Vincent, 5, aus Zehlendorf am Freitagmorgen verkündet. Kein Wunder – mit der hellblauen Krawatte und der gestreiften Weste sieht er aus wie ein Mini-Erwachsener. Für seine Einschulung hat er sich so schick gemacht.

Rund 29 000 Berliner Kinder haben am Montag ihren ersten Schultag. Die meisten von ihnen feierten am Sonnabend ihre Einschulung. Für die jüdischen Schulen jedoch gilt: Sonnabend ist Schabbat. Daher war die Einschulung schon am Freitag, auch für die 56 Erstklässler der Heinz-Galinski-Schule in Westend, zu denen Vincent gehört.

Hier rennen die Kinder nicht ausgelassen auf den Hof – sie müssen erst durch eine überwachte Schleuse. „An die Sicherheitsvorkehrungen gewöhnen sich Eltern und Kinder schnell“, sagt Schulleiterin Noga Hartmann. In der Aula ist dann alles wie in anderen Schulen auch. Die Bühne ist mit Luftballons und Basteleien geschmückt. Massenhaft verkeilen sich Schultüten und Ranzen, aber am Ende sitzen alle auf ihrem Platz, geordnet nach den Klassen 1 a, b und c.

In der Reihe 1 c sitzen auch Joshua und Joel, beide 6, aus Wilmersdorf. Sie sind Nachbarn, gute Freunde und bald Klassenkameraden. Beide freuen sich auf die Schule, am meisten „auf die Pause“, sagt Joshua. Ein bisschen schuldbewusst fügt er hinzu: „Und auf Mathe.“ Joel ist froh, seine schwere Schultüte ablegen zu können. „Mein Arm ist schon fast tot.“

Bei den Mädchen stehen rosafarbene Barbie-Schultüten besonders hoch im Kurs. Auch Daniela, 5, aus Steglitz nennt sich eine  stolze Besitzerin. Für Vincent dagegen kam nur das Fußball-Modell infrage – er ist Hertha-Fan. Daniela kann durch den Tüllstoff an der Öffnung schon einen Blick auf Schokolinsen erhaschen. Doch die Kinder müssen sich noch gedulden: Erst nach der Einschulung dürfen sie auspacken, sonst wäre ihre Aufmerksamkeit längst dahin.

Noga Hartmann begrüßt ihre neuen Schützlinge und kündigt die zweiten Klassen mit einem Theaterstück an. Im Anschluss kommt Rabbiner Tovia Ben-Chorin mit einer Überraschung auf die Bühne: Er hat das knallgelbe Kuscheltier „Joshi und Shoshi“ mitgebracht, dem er seine Stimme verleiht und sich in quietschender Tonlage beklagt, dass er auch endlich in die Schule wolle. Joshua amüsiert sich köstlich über seinen gelben Namensvetter. Seiner Mutter bedeutet es viel, zu sehen, dass ihr Sohn Spaß hat: „Ich habe meinen Sohn beobachtet und gesehen, dass er ganz gefesselt war. Es ist schon sehr bewegend, dass er jetzt schon so groß ist.“

Bevor die neuen Schüler einzeln aufgerufen und auf die Bühne geholt werden, singen noch einmal die zweiten Klassen, voller Inbrunst. Ein Junge hält sich in der ersten Reihe die Ohren zu. Danach folgen die Erstklässler ihren Lehrern für eine halbe Stunde in die Klassenräume. Schulleiterin Hartmann sagt: „Bevor es am Montag losgeht, wollen wir ihnen das Gefühl geben, dass Schule Spaß macht und dass sie sich auf Montag freuen können.“ Die Schüler lernen sich gegenseitig und ihre Lehrer kennen und klären wichtige Dinge wie die Platzvergabe. Während dieser ersten Schulstunde wandern die Schultüten vorübergehend in die Arme der Eltern.

Ein Vater steht mit drei Exemplaren bestückt auf dem Schulhof. Heute wurden seine Drillinge Michael, Fiona und Daniel, alle 6, eingeschult – jeder in eine andere Klasse. Die Mutter sagt: „Es ist schon schwer, alle drei auf einmal loszulassen. Vor allem weil sie bisher immer zusammen waren.“

Daneben steht Vincents Familie. Ein ganzes Dutzend Verwandte sind heute zu seiner Einschulung gekommen. Vincents Mutter sagt: „Er ist so tapfer mit den Lehrern mitgegangen, ich bin ganz stolz auf ihn.“ Später werden noch etliche Fotos mit Zahnlücken-Lächeln für die Familienalben gemacht. Vincent freut sich auf Montag. Das Alphabet und seinen Namen schreiben kann er schon – wie ein richtiger Erwachsener.

Neben der Galinski-Schule gibt es noch zwei weitere jüdische Grundschulen in Berlin: Die Lauder Beth-Zion-Schule in Pankow und die Jüdische Traditionsschule in Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch sie schulten schon am Freitag ein. Diese Ausnahme ist übrigens auch an öffentlichen Schulen möglich und wird auch praktiziert, wenn es dort jüdische Kinder gibt, deren Eltern das wünschen.

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