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Berlin: Einst verliebt in die Leere - als sie einzog war an den Bauboom noch lange nicht zu denken

Mit zwölf Jahren stand sie zum ersten Mal auf einer Bühne, mit Gitarre vorm Bauch und Mikrofon in der Hand. Das war Ende der 60er Jahre daheim in Heiligenstadt im thüringischen Eichsfeld.

Mit zwölf Jahren stand sie zum ersten Mal auf einer Bühne, mit Gitarre vorm Bauch und Mikrofon in der Hand. Das war Ende der 60er Jahre daheim in Heiligenstadt im thüringischen Eichsfeld. Angelika Weiz war Sängerin in einer Schülerband. "Wir haben böse Beatmusik gespielt", sagt sie und lacht. Das Lachen macht ihr Spaß. Sie wirft dabei den Kopf in den Nacken und lässt ihre Stimme weit ins tiefe Register fahren.

Ihre Kindheit war behütet, sie wuchs inmitten einer wunderbaren Großfamilie auf. "Irgendjemand hatte immer Zeit für mich, entweder mein Großvater, meine beiden Tanten oder meine Mutter", sagt die Sängerin, die ihren Vater nur von Fotos kennt. Sie empfindet nicht die Spur eines Impulses, "nach Puerto Rico zu fliegen, mich vor ihn hinzustellen und zu sagen: Hallo hier bin ich". Mit fünf Jahren wurde ihr klar gemacht, dass sie anders ist. Ein alter Mann piekste das kleine Mädchen mit seinem Spazierstock und sagte: "Du wärst ein ganz schönes Mädchen, wenn du nicht so schwarz wärst". Die kleine Angelika erfuhr zu Hause, dass die Menschen unterschiedliche Hautfarben haben und "dass manche Leute damit Probleme haben". Sie selbst allerdings nicht, sie genoss "ihren Status als Exot". Mit 16 wurde sie Sängerin bei der Erfurter Band "Modern Blues". Später sang sie bis 1982 bei "Ergo", danach mehrere Jahre in der Günter-Fischer-Band. Derzeit tritt sie unterschiedlichen Besetzungen auf, mal im Trio, mal in der Bigband. "Ich brauche keine Urlaub, denn ich mache immer, was ich will: Musik. Ich bin wirklich ein absolutes Glückskind", sagt sie und lässt ihre Augen blitzen. Angelika Weiz singt den Blues, aber sie hat ihn nicht.

Angelika Weiz ist eine starke Frau, die immer etwas Platz um sich braucht. Darum mag die den Bezirk Mitte, in dem sie seit 1986 wohnt: Zuerst mit ihrem Mann und Bandkollegen Waldemar Weiz in der Französischen Straße, inzwischen allein in einer geräumigen Wohnung über zwei Etagen mit Blick auf die Kräne und Gebäude am Potsdamer Platz. "Mensch, Mitte war so schön leer damals, ich fand das prima", sagt sie und meint damit die Gegend an der Wilhelmstraße. "Weißte, hier stimmt einfach die Mischung zwischen den Leuten, hier gibt es Künstler aber auch eine Menge Leute aus der arbeitenden Bevölkerung. Ich mache ja gern Krach zu Hause, und was für welchen", sagt die Sängerin und lobt die unglaubliche Toleranz ihrer Nachbarn: "Wir haben mal früh um fünf nach einer sehr schönen Party das Singen gekriegt. Jemand holte das Beatles-Songbook hervor, und los ging es. Am Vormmittag zwinkerte mir im Fahrstuhl ein Nachbar zu und sagte: Sie brauchen heute nicht mehr zu proben, Frau Weiz."

Als die Mauer fiel, war ihr klar, "dass ich drüben gucken gehen muss". Sie zog durch westdeutsche Landtage, um zu lernen, wie man im Westen Geld für Kultur loseist. Erstaunt war Angelika Weiz darüber, dass es keinen Bundeskulturminister gab. Bis heute ist sie nicht nur darum fest davon überzeugt, dass "Kultur in diesem Land kein wichtiges Gut ist, sondern nur als Kulisse dient". Nichts liegt ihr indes ferner, als Klagelieder zu singen. 1991 wurde die Sängerin zur Managerin: Sie übernahm die Geschäftsführung für die künstlerische Produktion in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Nach zwei Jahren "war alles in Säckchen und Tütchen", Angelika Weiz hörte auf, denn sie "wollte ja nicht verwalten, sondern gestalten". Vom Schreibtisch kehrte sie zurück auf die Bühne. Aus ihrer Zeit in der Kulturbrauerei kennt sie den Bezirksbürgermeister Reinhard Kraetzer (SPD) gut. Sie schätzt den Rathaus-Chef von Prenzlauer Berg bis heute, "weil er ein ansprechbarer Mensch mit Herz ist", das sei selten unter Politikern.

Mit der Kommunalpolitik ihres Heimatbezirk Mitte, der mit Tiergarten und Wedding zusammengeschlossen wird, hat sie sich bisher nicht so intensiv beschäftigt. "Bürgermeister Zeller? Den kenne leider wirklich nicht", sagt sie und lacht lange, laut und mit viel Genuss. "Weißte, ich bin so froh, dass ich nichts mit Politik zu tun habe", sagt sie. Draußen auf der Straße hängen die Wahlplakate von CDU, SPD, PDS, den Grünen, der FDP und den vielen anderen Parteien. Wohin wird die Sängerin am Sonntag in der Wahlkabine ihre Kreuze malen? "Also das ist wirklich geheim ", sagt sie, "aber das Herz schlägt links".

Michael Brunner

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