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Nächster Halt:Helmstedt. West-Berliner Tramper 1984 in Zehlendorf. Im Hintergrund geht’s gen DDR.

© Paul Glas/dpa

Einstige Grenzübergänge in Berlin: Rübermachen? Nicht nur am Checkpoint Charlie

Vor 25 Jahren verloren die Grenzübergänge ihre Funktion. Was aus ihnen geworden ist? Eine Spurensuche an der einstigen West-Berliner Grenze.

Es gehört zu den Aufgaben einer Zeitung, den Gang der Weltgeschichte zu dokumentieren, doch geschieht es selten, dass diese per Tieflader am Verlagsgebäude vorbeigefahren wird. Am 22. Juni 1990 aber durften die Redakteure des Tagesspiegels solch einen historischen Moment miterleben: Auf der Potsdamer Straße, damals Sitz des Blattes, glitt unter ihren Fenstern um Punkt 12.26 Uhr Checkpoint Charlie vorüber.

Genau genommen nur die Kontrollbaracke der Amerikaner, auf dem Weg ins Depot. Erst Jahre später fand sie einen neuen Platz im Alliiertenmuseum an der Zehlendorfer Clayallee. Vorausgegangen war ihrer Reise durch Berlin der zeremonielle Abbau der Grenzanlage in der Friedrichstraße, mit reichlich Zaungästen und viel Politprominenz, darunter die Außenminister der Bundesrepublik, der DDR, der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion – ein Polittheater mit vielen Reden und zackigem letztem Exerzieren der Wache, bevor ein Kranwagen den schwersten Teil des Dramas übernahm. Mancher bedauerte diesen letzten Akt in der Geschichte des Kontrollpunkts, der für alliierte Soldaten, Ausländer, Diplomaten und DDR-Bürger gegolten hatte. Man sah Transparente wie „Schade, lieber Checkpoint Charlie“, und viele klaubten sich als Souvenir des Kalten Krieges Steine aus dem Pflaster, auf dem gerade noch das Wachhäuschen gestanden hatte.

Der Checkpoint Charlie ist so authentisch wie das Schneewittchen-Schloss in Disneyland

Eigentlich ein Paradox: Checkpoint Charlie war der erste der alten Kontrollpunkte rund um West-Berlin, der geschlossen wurde. Die anderen, in den zurückliegenden Monaten ohnehin weitgehend belanglos geworden, verloren erst acht Tage später, am 1. Juli 1990, offiziell ihre Funktion. Und doch ist Checkpoint Charlie heute der einzige der ehemaligen Grenzübergänge, der wirklich noch nach Checkpoint aussieht, mit Wachhäuschen, Sandsäcken und Uniformierten. Aber das alles ist nur Show, so authentisch wie das Schneewittchen-Schloss in Disneyland. An den anderen ehemaligen Grenzübergängen dagegen ist meist gar nichts mehr zu sehen.

Noch der höchste Grad an Authentizität hat sich am Zehlendorfer Gegenstück des Checkpoint Charlie erhalten. Nach offizieller Terminologie des US-Militärs war das Checkpoint Bravo, während Checkpoint Alpha bei Helmstedt in Niedersachsen stand. Der Kontrollpunkt diente dem Transitverkehr und der Einreise in die DDR. Der rote Rundbau des 1973 eröffneten Rasthofs und die Tankstelle stehen seit Langem leer. Neue Konzepte wechselten in den vergangenen Jahren so rasch wie die Besitzer. Mal sollte aus dem Turm eine Disko mit angeschlossenem Hotel für Rucksacktouristen und Diner-Lokal nach US-Vorbild werden, dann wollte eine Firma das Freigelände als Lager für Baumaschinen nutzen. Im vergangenen Jahr wurden Pläne bekannt, um den Raststättenturm herum ein Oldtimer-Zentrum zu bauen. Bislang ist davon nichts zu sehen.

Original ist noch das alte Kontrollgebäude, das die Autobahn wie eine Brücke überspannt. Zu Transitzeiten warteten dort Polizisten und Zollbeamte, fragten nach Vorkommnissen und zollpflichtigen Einkäufen im Intershop. Die Polizisten sind längst verschwunden, aber eine Zolldienststelle gibt es dort immer noch. Eine Spedition nutzt heute die Räume.

Von den Grenzanlagen in Drewitz ist wenig übrig geblieben: am Rande der Autobahn das Fundament des künstlerisch umgenutzten Panzerdenkmals, auf dem jetzt eine Schneefräse steht, die Betonstele mit dem kreisförmigen Rahmen, in dem früher Hammer und Zirkel als Insignien der DDR prangten – und auf dem Gelände der Grenzanlagen, dem heutigen Europarc Dreilinden, der ehemalige Kommandantenturm, den ein Verein zum musealen Erinnerungsort ausgebaut hat.

Das Gegenstück im Norden ist die Autoraststätte Stolper Heide jenseits von Heiligensee. Die alte Funktion als DDR-Kontrollstelle für Transit und Einreise ist noch am besten an der seltsamen Verkehrsführung abzulesen. Üblich sind Raststätten beiderseits der Autobahn, dort aber befinden sie sich nur auf östlicher Seite. Die aus Norden kommenden Fahrzeuge werden über eine Brücke zur Raststätte und eine zweite Brücke zurück auf die Autobahn nach (West-)Berlin geleitet, das war ganz im Sinne des Grenzregimes. In Heiligensee, westlich der letzten engen Autobahnkurve vor der Stadtgrenze, stehen noch die alten Zollgebäude, das Freigelände des ehemaligen Zollhofs nutzt die Feuerwehr zum Trainieren technischer Hilfeleistungen – Verletzte aus einem Auto holen, umgestürzte Bäume wegräumen oder Lecks abdichten.

Eine Fußgängerbrücke überspannte am Europa-Center die Tauentzienstraße

Der Heiligenseer Transit-Grenzübergang hatte 1987 den in der Staakener Heerstraße abgelöst. Funktionslos geworden ist die Fußgängerbrücke, die bis 1979 am Europa-Center die Tauentzienstraße überspannte. In den alten, heute kunterbunten Zollgebäuden sind mittlerweile der Verein Bruno H. Bürgel Sternwarte und der Arbeitskreis Spandauer Künstler untergekommen.

Die zu seiner ursprünglichen Funktion am besten passende Verwendung hat der Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße gefunden: Das Abfertigungsgebäude für ausreisende West-Berliner, Bundesbürger, Ausländer, Diplomaten und DDR-Bürger ist seit 2011 als Teil der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ ein Museum. Sein Thema: der Alltag der Teilung.

Auf dem Gelände des Grenzübergangs Bornholmer Straße, wo sich am 9. November 1989 die Mauer öffnete, befindet sich heute ein Supermarkt; das Dach der ehemaligen Kontrollstelle, die für West-Berliner, Bundes- und DDR-Bürger sowie Diplomaten galt, hat es als XXL-Carport auf einen Gewerbehof in Prenzlauer Berg verschlagen. Auch an der Heinrich-Heine-Straße hält ein Supermarkt die Brachfläche besetzt, die durch den Abriss der Grenzanlagen, einst reserviert für Bundes- und DDR-Bürger sowie Diplomaten, entstanden war.

An der Oberbaumbrücke, auf der West-Berliner und DDR-Bürger ein- und ausreisen durften, allerdings nur zu Fuß, erinnert auf Ostseite noch die East Side Gallery an die Teilung. An der Sonnenallee wie auch an der Invalidenstraße, der Chausseestraße (jeweils West-Berliner, DDR-Bürger), ganz im Westen an der Glienicker Brücke (Angehörige der Militärmissionen) und im Süden an der Waltersdorfer Chaussee (Transit zum Flughafen Schönefeld, DDR-Bürger) ist von den alten Grenzanlagen nichts mehr zu sehen.

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