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Berlin: Eisenmans Judenwitz

Eklat im Kuratorium der Holocaust-Stiftung / Bauvorhaben im Zeitplan: Stelen zum großen Teil aufgestellt

Erneut ist der Bau des HolocaustMahnmals von Ärger überschattet. Anlass ist ein „Witz“, den der amerikanische Architekt des Mahnmals, Peter Eisenman, bei der letzten Sitzung des Mahnmal-Kuratoriums Mitte vergangenen Monats über Goldfüllungen und die Firma Degussa gemacht hat.

Lea Rosh, stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende, sprach von „purer Geschmacklosigkeit“. Sie, der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner und andere Kuratoriumsmitglieder hätten unter Protest die Sitzung verlassen. Brenner beschwerte sich in einem Schreiben an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, den Kuratoriumsvorsitzenden, über den Architekten.

Eisenman widersprach gestern in New York Vorwürfen, denenzufolge er launig festgestellt habe, dass er bei einem Zahnarztbesuch in New York angeblich gefragt worden sei, ob seine Goldfüllungen von der Firma Degussa aus den Zähnen ermordeter Juden stammten. Eisenman betonte dagegen, er habe lediglich erzählt, sein Zahnarzt, auch Jude wie er, habe ihn gefragt: „Wissen Sie, dass Sie Degussa im Mund haben?“ Er, Eisenman, habe das in der Sitzung gesagt, um die Stimmung etwas aufzulockern, über ermordete Juden habe er sich dabei nicht geäußert und niemanden schockieren wollen.

Alexander Brenner, von dem gestern keine Stellungnahme zu erhalten war, und andere hatten den „Witz“ offenbar anders verstanden. Dem Architekten warf Brenner nach Spiegel-Informationen eine „zynische Verunglimpfung des Andenkens der ermordeten, vergasten, erschossenen und verbrannten Juden“ vor. Thierse wurde in dem Schreiben um eine Stellungnahme gebeten.

Damit wird die Baugeschichte des Mahnmals erneut von Streitigkeiten belastet. Im vergangenen Jahr war öffentlich bekannt geworden, dass die Firma Degussa den Graffiti-Schutz für die 2700 Stelen herstellt. Die frühere Tochterfirma Degesch hatte während der NS-Zeit das tödliche Giftgas Zyklon B hergestellt. Daraufhin wurden die Arbeiten zunächst eingestellt. Der Architekt Eisenman trat allerdings für Degussa ein.

Bei der Aufarbeitung der deutschen Geschichte müsse man nach vorn blicken, betonte er. Es mache keinen Sinn, Degussa zu bestrafen, die Firma habe viel zur Sühne getan. „Wären meine Eltern mit Zyklon B ermordet worden, würde ich nicht anders argumentieren.“ Im November hatte die Mehrheit des Kuratoriums dann entschieden, dass Degussa am Bau des Mahnmals beteiligt bleibt. „Deutschland errichtet das Mahnmal für das eigene Volk, damit die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät“, sagte der Kuratoriumsvorsitzende Wolfgang Thierse. Deshalb könnten einzelne Firmen wegen ihrer Historie nicht ausgeschlossen werden. Lea Rosh, die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende, äußerte sich unzufrieden über die Entscheidung.

Ansonsten geht das Bauvorhaben, dessen Stelen voraussichtlich bis Ende des Jahres vollständig stehen, im Zeitplan voran. Im Mai 2005 soll das Mahnmal fertig sein. Weil sich der gewünschte „Welleneffekt“ bei bislang mehr als 400 Stelen nicht zeigte, müssen etliche verändert werden.C.v.L./cof

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