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Eisige Kälte in Berlin: Der Mann vor meiner Wohnungstür

Seit Wochen herrschen in Berlin und Europa strenge Wintertemperaturen. Besonders Obdachlose leiden unter der eisigen Kälte. Barbara Junge fragt sich, inwieweit Hilfe möglich ist.

Unsere Haustür schließt im Winter schlecht. Warum, das habe ich dem Gespräch mit dem Mann vom Schlüsseldienst im vergangenen Jahr nicht entnehmen können. So schließt sie eben immer noch schlecht. Das hat auch seine Vorteile.

Zum Beispiel für den Mann, den mein Freund gestern Abend in unserem Hausflur traf. Er suche diesen oder jenen Rechtsanwalt, hat er gesagt. Rechtanwaltskanzleien, das sieht man auch von außen, gibt es bei uns nicht. Soll ich besser eine Decke im Treppenhaus bereitlegen, habe ich gedacht. Der Mann, der im vergangenen Jahr Wärme bei uns gesucht hatte, vor unserer Wohnungstür ganz oben, sah am Morgen danach immer noch verfroren aus.

Aber was hatte meine Tochter jetzt beim Frühstück erzählt? Die Geschichte von dem Obdachlosen, der gerade im Mauerpark die Eiseskälte mit einem Feuer vertreiben wollte und dann samt Holzhüttchen und Hund verbrannte. Der bei uns im letzten Jahr hat seine Kippen auf dem Teppich im Treppenhaus ausgedrückt. Und merkwürdiges kleines Diebesgut dagelassen. Eine Spende an die Obdachlosenhilfe ist eine gute Sache. Dem Mann mit dem Anwalt hilft sie vermutlich nicht.

Helfe ich? Ich denke misstrauisch an den, der da wohl vor meiner Tür schläft. In unserer Gegend wird viel gedealt. Aber ich weiß, unsere Wohnungstür ist stahlverstärkt. Die Fahrräder der Kinder habe ich heute vor der Arbeit noch in den Keller getragen. Wahrscheinlich krame ich später nach einer Decke. Vielleicht sollte ich den Schlüsseldienst rufen. Ich lass es wohl bleiben.

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