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Berlin: Eiskalter Protest

Vollversammlungen von HU und TU beschließen noch eine Woche Ausstand – mit weiteren ungewöhnlichen Aktionen

„Jetzt erst recht“: Unter diesem Motto geht der Streik der Technischen Universität in die fünfte Woche. Das beschlossen gestern die Teilnehmer einer Vollversammlung an der TU mit großer Mehrheit. Die Protestaktivisten sehen sich auf Erfolgskurs: „Sogar Politiker wollen mit uns reden“§, rief ein Student seinen rund 1000 Kommilitonen auf der Vollversammlung im TUAudimax zu. Die Medienresonanz nehme stetig zu. „Jetzt wär’s schwachsinnig aufzuhören“, rief ein anderer. Auch der Präsident feuerte seine Schützlinge zu neuen Protesten an: „Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen“, motivierte Kurt Kutzler die Protestierenden. Von Streikmüdigkeit ist an den Berliner Universitäten auch nach mehreren Wochen keine Spur. Auch die Studenten der Humboldt-Universität bleiben hart und stimmten für die Fortsetzung von Streik und Gebäude-Besetzungen.

Letzte Ängste vor einer Fortsetzung des Streiks nahm den Studenten auf der TU-Vollversammlung der Präsident persönlich. Kutzler sagte, er will dafür sorgen, dass „Sie Ihr Studium auch in diesem Semester erfolgreich zu Ende führen können.“ Man könne das Semester verlängern oder die ausgefallenen Vorlesungen nachholen. Viele Studenten befürchten, bei einem lange anhaltenden Ausstand ein Semester zu verlieren.

Unter den Studenten stoßen die Aktionen jedoch zunehmend auch auf Kritik. Die beiden VWL-Studentinnen Luise Adler und Johanna Tachler von der Humboldt-Universität befürworteten vor zwei Wochen noch den Streik. Nun wollen sie wieder lernen: „Die Aktionen sind auf Dauer unkonstruktiv. Es fehlen die Inhalte." Von denen wollten die Studierenden auf der Vollversammlung wenig wissen: Bis zur Abstimmung über einen gemeinsamen Forderungskatalog der drei Universitäten harrten nur noch einige Hundert der ursprünglich 4000 Studenten aus.

Auch die Besetzungen gehen weiter: Eine kleine Gruppe von Studenten schlugen ihre Zelte auf dem Gelände der Nordischen Botschaften auf. Sie beantragten symbolisch „Bildungsasyl“. Die Bildungspolitik der skandinavischen Länder gilt bekanntlich als vorbildlich. In Deutschland dagegen sähen sie ihr Recht auf Bildung gefährdet, erklären die Studenten. Die Botschaften dulden die Campierenden zunächst. Die 30 Studenten, die in der Nacht zum Mittwoch für zwei Stunden das Rote Rathaus besetzten, verließen unterdessen das Gebäude freiwillig. Die Senatskanzlei hatte mit einer Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gedroht.

Die Staatlichen Museen wollen die Protestierenden nicht unterstützen. Der HU-Chor wollte im Pergamonmuseum ein Protest-Ständchen geben, die Museumsleitung lehnte die Anfrage aber ab. „Sicherheitsrechtlich sind uns die Hände gebunden“, sagt Moritz Wullen, Leiter des Referats Ausstellungen, versichert aber „Sympathie“. Dafür hilft die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) dem Protest auf die Sprünge: Heute Mittag hüpfen Studenten unter dem Motto „Die Bildung geht baden“ am Reichstagsufer in die Spree. Falls etwas schief geht, leisten die Lebensretter erste Hilfe. gern/woy/tiw

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