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Firma Wertfleisch

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Ekelfleisch-Skandal: Existiert eine "Gammelfleisch-Mafia"?

Neuen Erkenntnissen zufolge könnten bis zu 180 Tonnen ungenießbare Ware nach Berlin verkauft worden sein. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf zufolge "ist Wertingen nur ein Puzzlestück". Es gebe möglicherweise einen "größeren Zusammenhang".

Die stellvertretende Leiterin der Staatsanwaltschaft Memmingen, Renate Thanner, sagte, der Hauptverdächtige habe weitere sieben bis acht Lieferungen à 20 Tonnen von umetikettiertem Fleisch seit Juni 2006 gestanden. Es sei überwiegend nach Berlin gegangen. Damit könnten statt der bislang bekannten 20 Tonnen bis zu 180 Tonnen von "nicht für den Verzehr geeigneter" Ware in Umlauf gebraucht worden sein.

Die Wertinger Firma habe eigentlich keine Genehmigung zum Umgang mit sogenanntem K3-Fleisch gehabt, das nur für Tiernahrung verwendet werden darf. Die Ware sei bei dem Betrieb als K3-Material angekommen, und der Hauptbeschuldigte habe dann "die Etiketten weggemacht und selbstständig umetikettiert", sagte Thanner. Sämtliches Fleisch sei von einer Firma aus Schleswig-Holstein gekommen, die sich durch die Lieferung aber nicht strafbar gemacht habe.

Staatsanwaltschaft  hat "Unmengen Unterlagen" gefunden

Ekelfleisch
Fleischberg. Aus Bayern ist weitaus mehr ungenießbares Fleisch nach Berlin geliefert worden als bislang bekannt. -

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Die Staatsanwaltschaft habe "eine Unmenge Unterlagen sichergestellt, die nach und nach ausgewertet" würden. Die gegenwärtigen Erkenntnisse beruhten auf Vernehmungen des Beschuldigten. Der Hauptbeschuldigte ist der Ehemann der Geschäftsführerin der Firma. Er gab in Befragungen an, weder seine Frau noch die Abnehmer hätten von der Umetikettierung gewusst. Laut Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) "ist Wertingen nur ein Puzzlestück". Es gebe möglicherweise einen "größeren Zusammenhang", sagte er der "Passauer Neuen Presse", ohne nähere Angaben zu machen.

Möllenberg: "Probleme betreffen ganz Deutschland"

Der jüngste Gammelfleisch-Skandal beruht auf strukturellen Problemen in der Fleischindustrie. Das sagte Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), dem "Tagesspiegel". „Die Beschäftigten in dieser Branche stehen unter einem enormen Kostendruck. Da hat jeder Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er bei solchen Praktiken nicht mitmacht“, sagte Möllenberg. Die Branche entziehe sich ihrer sozialen Verantwortung, in vielen Firmen gebe es weder Betriebsräte noch Tarifverträge. Beschäftigt seien neuerdings überwiegend Rumänen, die zum Teil für drei Euro pro Stunde arbeiten. Viele polnische Arbeitskräfte seien mittlerweile nach Frankreich oder England abgewandert, weil sie dort nach Mindestlöhnen bezahlt würden.

Die bayerischen Behörden kamen der Firma „Wertfleisch“ in Wertingen durch den Hinweis eines Speditionsfahrers auf die Spur. Dieser hatte dem Unternehmen am vergangenen Freitag aus Schleswig-Holstein sogenanntes Fleisch der „Kategorie 3“ (K3) geliefert. Diese Ware darf nur als Tiernahrung verkauft werden, weil sie aus Schlachtabfällen besteht. Dem Fahrer fiel auf, dass er die Ware an einem versteckten Platz abladen sollte und der Firmenchef sogleich Etiketten auf den Packungen entfernte. Als die Behörden den mutmaßlichen Betrüger zur Rede stellten, gab er die vorangegangene gefälschte Lieferung nach Berlin zu, heißt es bei den Ermittlern. (mit ddp)

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