zum Hauptinhalt
Seltenes Gerippe. Rund 11 000 Jahre ist das Elchskelett alt, das am 16. Mai 1956 am Hansaplatz in Tiergarten bei U-Bahn-Arbeiten ausgebuddelt wurde.

© Kembowski/dpa

Elchtest im Tiergarten: Was man vor 60 Jahren am Hansaplatz fand

Vor 60 Jahren tauchte ein Stück Eiszeit am Hansaplatz auf. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte erinnert an den Sensationsfund.

Immer nur Mammuts, Säbeltiger, Riesenfaultier Sid und schließlich Scrat, diese auf Eicheln versessene Kreuzung aus Eichhörnchen und Ratte – warum gönnen die Herren Filmproduzenten und -regisseure nicht auch mal einem Elch eine halbwegs tragende Rolle in den beliebten „Ice Age“-Filmen? Und warum hat man sie nicht längst einmal ins Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte geschleppt, auf dass sie einsehen, welch eine Lücke in ihrer eisigen Filmwelt klafft?

Man hat schon alles Mögliche aus Berlins Untergrund gebuddelt, Bomben, Kunstschätze, Grabstätten der Urbewohner. Aber ein komplettes Elchskelett aus der Spätphase der letzten Eiszeit gab es nur einmal. Es war der 16. Mai 1956, als der damalige Museumskurator Otto Friedrich Gandert einen Anruf von der U-Bahn-Baustelle am Hansaplatz erhielt. Damals wurde an der Strecke der heutigen Linie 9 gebuddelt, und die Bauarbeiter waren in sieben Metern Tiefe auf Tierknochen gestoßen. Ob Gandert nicht mal vorbeischauen wolle.

Gezeigt wird etwa eine zugespitzte Ren-Geweihstange

Der war dort schon fast Stammgast, wusste um die guten Chancen, an dieser Stelle, im Urstromtal der Spree, Reste aus der Altsteinzeit zu finden. Der Plan, die Funde schnell zu bergen, um die Arbeiter nicht lange zu behindern, ging aber nicht auf. Immer mehr Knochen tauchten auf, ein komplettes Skelett eben – ein Exemplar der Breitstirn- oder Riesenelche, etwas verschieden von der heutigen Art. Auch Knochen von Wildpferden, Rentieren und Rothirschen tauchten auf, geradezu ein zoologischer Urzeitfriedhof.

Archäologen sehen in dem Skelettfund ein Indiz für den gewaltigen, Flora und Fauna massiv verändernden Klimawandel, dem die Brandenburgische Landschaft zwischen 10730 und 9700 v. Chr. unterworfen war.

Es wurde wieder bitterkalt, die Wälder zogen sich zurück und die Tundra mit der dort dominierenden Weißen Silberwurz breitete sich aus. „Unser Elch starb etwa zu Beginn dieser Klimaverschlechterung“, schreiben Matthias Wemhoff, Chef des im Neuen Museum untergebrachten Museums für Vor- und Frühgeschichte, und die Archäologin Claudia Maria Melisch in ihrem Buch „Archäologie Berlins“ (Elsengold-Verlag). Wie es zu diesem Klimawandel kam, ist noch immer unklar. Der Mensch jedenfalls war es nicht.

Der 60. Jahrestag des Elchfundes wird nun vom Museum mit einer kleinen Sonderschau gefeiert. Gezeigt wird etwa eine zugespitzte Ren-Geweihstange, die einem Ur-Berliner wohl als Stoßwaffe diente. Zu sehen sind auch die Backenzähne eines Mammuts und der Panzer einer Sumpfschildkröte, die 1956 nahe des Elchskeletts gefunden wurden. Riesenfaultier Sid hätte damit vermutlich Fußball gespielt.

Zur Startseite