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Berlin: Elefant Kiri: Präparations-Arbeit wird zum Puzzlespiel - und ist gefährdet

Der neue Kiri wird ein bisschen leichter. Drei Zentner bringt er zur Zeit auf die Waage, rund fünf Zentner weniger als zu Lebzeiten.

Der neue Kiri wird ein bisschen leichter. Drei Zentner bringt er zur Zeit auf die Waage, rund fünf Zentner weniger als zu Lebzeiten. Seit einem Monat arbeiten Jörg-Sepp Lüdecke und seine zwei Mitarbeiter im Museum für Naturkunde an ihrem zur Zeit wohl wichtigsten Ausstellungsstück: einer Dermoplastik des kleinen Elefanten, der am 28. Dezember des vergangenen Jahres plötzlich tot in seinem Käfig lag. An seinem ersten Todestag sollen ihn die Berliner wieder haben. "Ich weiß, dass ich Kiri nicht wieder zum Leben erwecken kann", sagt Chefpräparator Lüdecke, "aber immerhin kann ich dabei helfen, die Erinnerung an den beliebten kleinen Elefanten wach zu halten".

Zu diesem Zweck pappt Museumsmitarbeiter Klaus Garmatz Kilo um Kilo Ton an das Knochengestell des Elefanten. Die Knochen hat das Team aus Kunststoff nachgegossen, dann wurden die Rippen und der Rumpf aus Styropor nachgebildet. Mit dem Ton werden jetzt die Muskelpartien des Elefanten nachempfunden. In dieser Woche wollen Garmatz und Lüdecke damit fertig werden. Dann wird vom Modell ein Gipsabdruck genommen und die maßgefertigten Elefanten-Glasaugen werden eingesetzt.

Darüber soll dann die Haut von Kiri gezogen werden. Und genau da beginnt das große Problem von Jörg-Sepp Lüdecke. Kiris millimeterdünne Oberhaut hat sich von der Lederhaut gelöst. Die Haut ist praktisch zerstört, unbrauchbar geworden. Ein Desaster, das die Experten gleich vor mehrere Rätsel stellt. Zuerst stellt sich die Frage nach dem Warum. "Wir haben Kiris Haut wie die jedes anderen Tieres, das wir präparieren wollen, zu einer Gerberei in der Nähe von Leipzig geschickt. 60 Kilo insgesamt, zusammengefaltet wie ein Wäschestück. Dort wurde sie mit flüssigen Gerbstoffen konserviert und wieder nach Berlin gebracht. "Als sie hier ankam, schwamm die Oberhaut auf der Flüssigkeit wie ein Ballon", beschreibt Lüdecke. Dabei sei die Gerberei absolut zuverlässig. Sie treffe keine Schuld. "Vielleicht war es das Herpesvirus, an dem Kiri gestorben ist", überlegt Lüdecke. Manche Krankheiten wirkten sich schließlich auf die Haut aus.

Eigentlich sollte die Haut in der Gerbflüssigkeit bleiben, bis sie aufgezogen wird. Wenn sie vorher trocknet, wird sie hart. Dabei sei es wichtig, dass jede kleine Hautfalte und alle Haare erhalten bleiben. Und da ist Lüdecke auch schon bei der zweiten großen Frage: "Wie kriege ich das jetzt noch hin?" Normalerweise würde man diese zerstörte Haut entsorgen und versuchen, irgendwo anders eine Elefantenhaut herzubekommen, erklärt Lüdecke. Doch das könne er den Berlinern nicht antun. Die wollen schließlich ihren Kiri, mit Haut und Haaren. Der kleine Elefant hatte zu Lebzeiten einen richtigen Fanclub, einige ältere Damen kamen jeden Tag und sahen zu, wie der Kleine lernte zu trompeten, auf Holzpaletten zu balancieren oder mit dem Rüssel Stroh zu greifen. Bis zu seinem plötzlichen Tod. Als das Museum entschied, den Elefanten zu präparieren und die Berliner bat, für eine naturgetreue Nachbildung Fotos und Videos zu schicken, trafen diese gleich zu Hunderten ein. Auch auf dem Spendenkonto für die Kiri-Dermoplastik sind schon mehrere tausend Mark.

Deshalb wird Lüdecke jetzt das Unmögliche möglich zu machen versuchen. Zuerst wird die restliche Haut über das Modell gezogen und dann wird Lüdecke mit einem Spezialkleber Stück für Stück die Oberhaut darauf kleben. Auf jedes Detail achtend. Ob das klappt? "Es muss", sagt Lüdecke bestimmt. Dieser Optimismus ist das einzige, auf das sich Lüdecke zur Zeit verlassen kann, schließlich hat dieses Experiment noch kein Präparator vor ihm gewagt. Trotz der Schwierigkeiten wollen Lüdecke und seine Mitarbeiter pünktlich mit der Plastik fertig sein. "Die Wochenenden bis zum 28. Dezember werde ich wohl durcharbeiten." Doch ein anderes Problem lässt sich auch mit noch so viel Einsatzbereitschaft nicht lösen: Die präparierte Kiri wird vermutlich ein wenig teurer als geplant. Rund 10 000 Mark sind schon auf dem Spendenkonto. Etwa 15 000 Mark werden noch gebraucht.

Annekatrin Looss

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