zum Hauptinhalt

Berlin: Elektrokohle-Areal: Das Sorgenkind macht langsam Fortschritte

Die Idee scheint bestechend: Ein Unternehmen bietet seine Waren sowie Dienstleistungen an und siedelt seine Kunden, kleine und mittelständische Unternehmen, gleich mit an. Dafür werden ihnen günstige Gewerbeflächen mit Mieten von einer bis zwölf Mark pro Quadratmeter geboten.

Die Idee scheint bestechend: Ein Unternehmen bietet seine Waren sowie Dienstleistungen an und siedelt seine Kunden, kleine und mittelständische Unternehmen, gleich mit an. Dafür werden ihnen günstige Gewerbeflächen mit Mieten von einer bis zwölf Mark pro Quadratmeter geboten. Und auch für die Kommune springt ein positiver Nebeneffekt heraus: Eine 33 Hektar große Industriebrache wird wiederbelebt und saniert.

1998 wurde die "BauFabrik" vom Thüringer Bau- und Technologieunternehmen Mühl Product & Service AG aus der Taufe gehoben. Damals erwarb der 1990 gegründete Baudienstleister das Sorgenkind des damaligen Bezirkes Lichtenberg: das Areal des einstigen DDR-Vorzeigebetriebes Elektrokohle zwischen Landsberger Allee und Herzbergstraße. Bis zur Wende arbeiten dort 2700 Menschen. Nach Ausgründungen sowie Privatisierungen blieb nur noch eine Handvoll Arbeitsplätze übrig, Hallen, die dem 1991 angeordneten Abriss nicht zum Opfer fielen, verrotteten, das Areal verkam.

Für die Mühl AG bedeutete der Kauf des Geländes nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance. Seit Herbst 1997 an der Josef-Orlopp-Straße ansässig, suchte die Mühl nach Auslaufen des dortigen Mietvertrages einen geeigneten Standort, um das laut Unternehmen europaweit einzigartige Konzept der BauFabrik umzusetzen. Zum Billigpreis von elf Mark pro Quadratmeter kaufte sie das Areal von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), garantierte dafür im Gegenzug 30 Arbeitsplätze sowie den Ausbau des Geländes mit Straßen und Gewerberäumen. "Das Soll der Arbeitsplätze haben wir inzwischen um ein Vielfaches überschritten", sagt Prokurist Klaus A. Teichert und verweist auf über 130 größtenteils neu geschaffene Stellen. Hinzu kommen rund 600 Arbeitsplätze der 54 ansässigen kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe aus der Baubranche.

Neu angelegt beziehungsweise saniert wurde inzwischen ein Netz von knapp zwei Kilometern Straße. Zudem wurden Hallen in einer Größenordnung von 9000 Quadratmetern neu errichtet. Die Mühl nutzt für ihre Bauprodukte vom "Kies unter der Betonplatte bis hin zur Abdeckkappe für Antennenmasten" derzeit rund 20 000 der zirka 90 000 Quadratmeter Gewerbeflächen, der Rest ist an die Handwerksbetriebe vermietet. 6,4 Millionen Mark investierte das Bauunternehmen bislang, hofft im Gegenzug dafür auf einen Umsatz in Höhe von 30 Millionen Mark in diesem Jahr. Avisiert sind künftig 100 Millionen Mark.

Schrittweise sollen in den kommenden Jahren weitere Hallen sowohl für den Eigenbedarf als auch zur Vermietung entstehen. Dabei werden die unterschiedlichen Platzbedürfnisse der Mieter berücksichtigt. "Ein Tischler braucht mehr Raum als beispielsweise ein Malerbetrieb, deshalb sind die Hallen mit flexiblen Zwischenwänden ausgestattet, so dass nur soviel Fläche gemietet werden muss, wie tatsächlich nötig ist", so Teichert. Die moderaten Mieten werden durch den Synergieeffekt, der sich für die Mühl durch die Handwerksbetriebe als potenzielle Kunden ergibt, ausgeglichen. In den kommenden Jahren sollen auch gesundheitsgefährdende Altlasten der Elektrokohle nach und nach abgetragen werden. "Eine Projektgruppe der Senatsumweltverwaltung, der BvS sowie Mitarbeiter unseres Unternehmens erarbeitet derzeit ein Sanierungskonzept", so Teichert.

Mit dem Umzug der Systemzentrale im ersten Quartal diesen Jahres - sie hat derzeit ihren Sitz an der Friedrichstraße in Mitte - will das Unternehmen die Wichtigkeit des Standortes Herzbergstraße unterstreichen. Zudem gibt es Pläne, den derzeitigen Hauptsitz von Kranichsfeld nach Berlin zu verlegen. "Doch darüber muss die Aktionärs-Hauptversammlung entscheiden", sagt Teichert.

In diesem Jahr will die Mühl das Konzept für Bau-Design-Center fertigstellen, in dem "spielerisch Bauprojekte entworfen werden können, angefangen vom architektonischen Entwurf bis hin zur Regenabflussrinne", so Teichert. Die Voraussetzung dafür legte die Mühl mit der im vergangenen Jahr erfolgten 51-prozentigen Übernahme des Stuttgarter Softwarehauses RIB, einem führenden Entwickler für Architektur-Software.

Beate K. Seiferth

Zur Startseite