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Neukölln: Eltern werben für Schule im Problemkiez

Im Schillerkiez wollen Eltern Bedenken gegenüber den Grundschulen im Einzugsgebiet ausräumen. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles erwägt Anreize für Lehrer an Brennpunktschulen.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Egal, wie gern bildungsbewusste Familien in ihrem Kiez wohnen – ist an den dortigen Schulen der Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund zu groß, ziehen sie lieber weg, bevor sie ihr Kind dort anmelden. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) zeigte am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion in der Neuköllner Karlsgarten-Grundschule Verständnis dafür: „Es wäre verlogen, wenn ich sagte, ich würde nicht zögern, mein Kind an eine Schule zu schicken, in der 50 oder 60 Prozent der Schüler nicht deutscher Herkunft sind. Ich würde mir die Schule aber genau ansehen.“

Corina Jakubik, die mit ihrer Familie seit Jahren im Neuköllner Schillerkiez lebt, hat genau das getan. Als bei ihrem Sohn die Einschulung anstand, besuchte sie die nahe gelegene Karl- Weise-Schule. Anteil der Schüler nicht deutscher Herkunft: 85 Prozent. Und ihr gefiel, was sie sah. Mittlerweile hat Jakubik mit einigen anderen Eltern die Initiative „Kiezschule für alle“ gegründet. Seit vergangenem Oktober versuchen sie, die Eltern im Schillerkiez davon zu überzeugen, ihre Vorurteile gegenüber den zwei Grundschulen im Einzugsgebiet fallen zu lassen.

Auch in der Bildungsverwaltung wird über neue Ideen für die Brennpunktschulen nachgedacht. Ein berlinweites Konzept, das die Qualität aller Schulen sichert, könne es aber nicht geben, sagte Staatssekretär Rackles. Um Lehrer besser zu qualifizieren und zu motivieren, überlege er, ob für Pädagogen an Brennpunktschulen die Stundenzahl gesenkt oder ihr Gehalt erhöht werden könne. Zudem könne er sich vorstellen, einen Pool für künftige Schulleiter einzurichten, um diese schon vor ihrer Ernennung besser auf ihre Aufgaben vorzubereiten.

Bei der Diskussion reden die Eltern darüber, ob ihre Kinder in einer Brennpunktschule nicht zu kurz kämen. Eine Mutter meldet sich zu Wort: „Ich will, dass mein Kind glücklich ist.“ Aber wäre es hier nicht in einer Minderheit und könnte diskriminiert werden? Und wie ist das mit der Gewaltbereitschaft? Corina Jakubik sagt, dass es auch an ihrer Schule Probleme gebe. Doch es seien solche, wie sie auch an jeder anderen Schule vorkommen könnten. Sie bereue ihre Entscheidung jedenfalls nicht.

Der Ruf einer Schule habe einen großen Einfluss, auch auf die Einrichtungen selbst, sagt Erziehungswissenschaftlerin Maike Reese. „Viele Schulen haben ein schlechtes Selbstbild.“ Doch in drei Jahren könne man eine Schule umkrempeln – unabhängig vom Anteil der Kinder aus Migrationsfamilien. Brigitte Unger hat als Schulleiterin der Karlsgarten-Grundschule bereits viel erreicht: „Ich sage ganz selbstbewusst: Eigentlich sind wir eine super Schule.“ Das Problem sei, dass viele Eltern ihr Urteil schon gefällt hätten, ohne die Schule je betreten zu haben.

Für das kommende Schuljahr schicken die Eltern von „Kiezschule für alle“ noch vier Kinder in die beiden Grundschulen im Schillerkiez. Für 2013 gibt es schon 20 Interessierte.

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