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Berlin: Energie sparen, Arbeit schaffen

Politik und Wirtschaft wollen mehr Fördergelder für ökologische Gebäudesanierung nach Berlin holen

Tausende neue Arbeitsplätze entstehen, die Bürger sparen und die Umwelt gewinnt – ein bisschen klingt es nach Träumerei, was Wohnungsunternehmen, Gewerkschaften und Politik da an Hoffnungen formulieren. Eine Zauberformel soll die Träume wahr werden lassen: „energiesparende Gebäudesanierung“. Das sind Baumaßnahmen wie die Modernisierung einer Heizungsanlage, der Austausch von Fenstern oder neue Wärmedämmungen an der Fassade. Weil dadurch Energie eingespart werden kann, werden sie vom Staat gefördert. Damit möglichst viel Fördergeld nach Berlin und Brandenburg fließt, haben sich der DGB-Bezirk, die IG BAU und der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zusammengetan und eine Initiative gegründet. Der Name: „Klimaschutz und Beschäftigung in Berlin-Brandenburg“.

Es geht um viel Geld: Jährlich investiert der Bund etwa 1,4 Milliarden Euro in die energiesparende Gebäudesanierung; ein Großteil fließt bisher nach Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – vor allem, weil dort der Anteil an Einfamilienhäusern höher ist als in Berlin. Doch die Fördergelder richten sich genauso an Besitzer von Mehrfamilienhäusern. Nicht in Frage kommen jedoch einzelne Eigentumswohnungen.

Ausgeteilt werden die Mittel von der KFW-Förderbank in Form zinsgünstiger Kredite. Die Sätze fangen schon bei einem Prozent im Jahr an. Hausbesitzer und Wohnungsunternehmen, die Kredite in Anspruch nehmen wollen, wenden sich an ihre Hausbank, die nach einer Prüfung wiederum den Antrag an die KFW-Förderbank weiterleitet.

„Mindestens 100 Millionen Euro“ wolle die Initiative für Berlin und Brandenburg herausschlagen, sagt Rainer Knerler von der IG BAU. Davon erhofft er sich auch eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. In Berlin seien knapp 40 000 Bauarbeiter ohne Job, das entspreche einer Quote von fast 50 Prozent. Sie liege damit höher als in jedem anderen Bundesland. Außerdem gebe es 1300 arbeitslose Architekten und 2000 arbeitslose Ingenieure. Ein „Turnaround“ sei möglich, wenn die Initiative ihre Ziele erreicht, sagt Knerler. Er rechnet mit 4000 neuen Arbeitsplätzen auf dem Bau und in Zulieferbetrieben.

Das Modernisierungspotenzial in Berlin ist der Initiative zufolge besonders groß: Es gebe 500 000 renovierungsbedürftige Altbauten in der Hauptstadt, hinzu käme ein großer Bestand an öffentlichen Gebäuden.

Von den Investitionen profitieren würde zum Beispiel der Dienstleister Tuskulum aus Tempelhof. Der Betrieb mit 14 Mitarbeitern modernisiert Heizungen in Einfamilienhäusern. So baut er vollautomatische Anlagen ein, die mit so genannten „Holz Pellets“ befeuert werden – das sind Presslinge aus Sägespänen. Eine komplette Anlage kostet etwa 20 000 Euro, es gibt aber auch einfachere Systeme, die bei 8000 Euro anfangen. Auch Solaranlagen gehören zum Angebot. „Wir würden wachsen“, sagt Geschäftsführer Peter Clos, „wenn die Auftragslage es zuließe.“ Zwei neue Stellen seien in dem Unternehmen möglich.

Politische Unterstützung kommt vom Senat. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) sieht beim energetischen Bauen eine klassische „Win-Win-Situation“: Der Kohlendioxid-Ausstoß werde gemindert, die Bauwirtschaft wachse, die Wohnungswirtschaft profitiere, weil die Attraktivität der Wohnungen steige. Und für die Mieter würden die Nebenkosten sinken.

Bei diesem Punkt ist allerdings der Berliner Mieterverein skeptisch. Hintergrund: Ein Vermieter kann nach einer Modernisierung die Miete erhöhen. Oft steige die Miete aber um einen höheren Betrag als der Mieter bei den Nebenkosten einspare, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. Zwar gebe es Modernisierungsmaßnahmen, die wirklich zu Einsparungen führten, aber manches sei für den einzelnen Mieter nicht sinnvoll. Er kritisiert vor allem die Umstellung von Gasetagenheizung auf Fernwärme: „Da kann es sogar sein, dass man hinterher mehr Energie verbraucht.“

Siegfried Rehberg vom Wohnungsunternehmerverband BBU widerspricht: „Bei steigenden Energiepreisen bietet energiesparende Gebäudesanierung langfristige Sicherheit.“ Öl, Gas und Strom würden in Zukunft immer teurer werden. In modernisierten Wohnungen zahlten Mieter vielleicht kurzfristig eine höhere Kaltmiete, langfristig könnten sie aber bei der Warmmiete sparen.

Oliver Trenkamp

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